314. Warum die Kaiser im Dom zu Speyer bestattet worden.

[310] Eysengrein Chron. Spir. L. XI., p. 179. Simonis Beschr. der Bischofen zu Speyer p. 35. G. Litzel hist. Beschr. der kais. Begräbniß in dem Dom zu Speyer etc. S. 6. Ertl. relatt. S. 91 bemerkt: »Ob die Erzählung ein Gedicht oder Geschicht sei, lassen wir dahin.« Geissel Kaiserdom III., 215.


Als Kaiser Konrad den Grundstein zum Speyerer Dom gelegt, hat er verordnet, welcher römische König oder Kaiser innerhalb Deutschland[310] mit Tod abgehen würde, und sich nicht einen besondern Ort seiner Begräbniß bestimmt haben würde, daß derselbe in der Domkirche der Stadt Speyer zur Erde bestattet werden sollte. Eine ganz besondere Ursache dieser Verordnung erzählet Eysengrein nach verschiedenen Scribenten.

Graf Leopold von Calwe, weil er als Uebertreter eines gewissen kaiserlichen Gesetzes verklagt worden war, floh und verbarg sich mit seiner schwangern Gemahlin in einer Bauernhütte auf dem Schwarzwald. Der Kaiser kam von ohngefähr dahin auf die Jagd und übernachtete in eben dieser Hütte, da der Graf abwesend war; des Nachts gebar die Gräfin einen Sohn, welcher weinte, und wobei diese Stimme gehört wurde: »O Kaiser! dieses Kind wirst du zu einem Tochtermann und Erben haben.« Darüber erschrak der Kaiser und befahl des Morgens seinen Dienern, das Kind, als von Vater und Mutter nun verlassen, zu tödten. Diese aber erbarmten sich über den Knaben, verbargen ihn unter einem Baum, und überbrachten statt seines Herzens ein Hasenherz. Herzog Hermann von Schwaben fand, da er vorbeiging, den Knaben, hob ihn auf, und nahm ihn endlich an Kindesstatt an. Lange Zeit hernach sah der Kaiser diesen artigen Jüngling, und bat den Herzog, daß er ihm denselben überlassen möchte. Nachdem dieses geschehen war, fiel dem Kaiser einstens aus verschiedenen Muthmaßungen ein, dieses sei der Knabe, welchen er umzubringen befohlen habe. Damit nun die gehörte Stimme nicht möchte erfüllt werden, gab er dem Jüngling einen Brief, daß er ihn der Kaiserin überbringen sollte, folgenden Inhalts: »So lieb dir dein Leben ist, so lasse, sobald du den Brief empfangen hast, den Ueberbringer heimlich tödten.«

Der Jüngling, welcher nichts Böses argwöhnte, nahm den Brief, eilte, kam bald nach Speyer, und kehrte bei dem Domdechant ein. Dieser, von Neugierde getrieben, öffnete den Brief, verabscheute eine so schändliche That, und anstatt der Worte: »Laß ihn tödten,« schrieb er: »Gib ihm unsere Prinzessin zur Ehe.« Welches auch geschah; und die Kaiserin ließ das Beilager zu Aachen halten. Der Kaiser, als er von dieser Vermählung Nachricht erhielt, erstaunte darüber, und vernahm von Herzog Hermann, daß dieser Jüngling ein Sohn des Grafen von Calwe sey. Weil er nun sah, daß er dem göttlichen Willen nicht widerstehen konnte, so nahm er den Tochtermann Heinrich zu seinem einzigen Sohn und zu seinem Mitregenten auf. Zur gebührenden Danksagung nun, weil er durch einen Speyerer (denn sein Kanzler war der Domdechant) von Vergießung unschuldigen[311] Blutes abgehalten und befreit worden war, hat er zu einem immerwährenden Gedächtniß dieser Geschichte verordnet, daß alle Könige und Kaiser, welche in Deutschland sterben, in den von ihm gestifteten Dom zu Speyer sollten begraben werden, welches er auch zuerst an sich erfüllen ließ.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 310-312.
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