338. Der Lindenschmidt.

[337] Volkslied. – Sage von Frankenthal. Schaab, Gesch. d. Rhein. Städteb. I., 523. II., 511. ff. Klüpfel. Urk. z. Gesch. d. Schwäb. Bds. S. 91. Wunderhorn I., 125. Uhland deutsche Volkslieder I., 358.


Es ist nicht lange, daß es geschah,

Daß man den Lindenschmidt reiten sah

Auf einem hohen Rosse.

Er reitet den Rheinstrom auf und ab;

Er hats gar wohl genoßen.
[337]

»Frisch her, ihr lieben Gesellen mein!

Es muß jetzt nur gewaget sein,

Wagen das thut gewinnen,

Wir wollen reiten Tag und Nacht,

Bis wir die Beute gewinnen.«


Dem Margrafen von Baden kam heute neue Mär,

Wie man ihm in's Geleit gefallen wär,

Das thät ihn sehr verdrießen.

Wie bald er Junker Casparn schrieb:

Er sollt ihm ein Reislein dienen.


Junker Caspar zog'm Bäurlein ein Kappen an,

Er schickt ihn allzeit vorne dran

Wohl auf die freie Straßen,

Ob er den edelen Lindenschmidt fänd:

Denselben sollt er verrathen.


Das Bäuerlein schiffet über den Rhein,

Er kehrt zu Frankenthal ins Wirthshaus ein.

»Wirth, haben wir nichts zu essen?

Es kommen drei Wagen, sind wohl beladen,

Von Frankfurt aus der Messen.«


Der Wirth der sprach dem Bäuerlein zu:

»Ja Wein und Brot hab ich genug!

Im Stalle da stehen drei Rosse,

Die sind des edeln Lindenschmidts,

Er nährt sich auf freier Straßen.«


Das Bäuerlein gedacht in seinem Muth,

Die Sache wird noch werden gut,

Den Feind hab ich vernommen.

Alsbald er Junker Caspar schrieb,

Daß er sollt eilends kommen.


Der Lindenschmidt hätt einen Sohn,

Der sollt den Rossen das Futter thun,

Den Haber thät er schwingen:

»Steht auf, herzlieber Vater mein!

Ich hör die Harnische klingen!«
[338]

Der Lindenschmidt lag hinterm Tisch und schlief

Der Sohn der thät so manchen Rief,

Der Schlaf hat ihn bezwungen:

»Steht auf, herzliebster Vater mein!

Der Verräther ist schon gekommen.«


Junker Caspar zu der Stuben eintrat,

Der Lindenschmidt von Herzen sehr erschrack:

»Lindenschmidt, gieb dich gefangen!

Zu Baden an dem Galgen hoch,

Daran sollst du bald hangen.«


Der Lindenschmidt war ein freier Rittersmann,

Wie bald er zu der Klingen sprang:

»Wir wollen erst ritterlich fechten!«

Es waren der Bluthund allzuviel,

Sie schlugen ihn zu der Erden.


»Kann und mag es denn nicht anders sein,

So bitt ich um den liebsten Sohne mein,

Auch um meinen Reitersjungen:

Haben sie jemanden Leids gethan,

Dazu hab ich sie gezwungen.«


Junker Caspar, der sprach Nein dazu:

»Das Kalb muß entgelten der Kuh,

Es soll dir nicht gelingen!

Zu Baden in der werthen Stadt

Muß ihm sein Haupt abspringen!«


Sie wurden alle drei nach Baden gebracht,

Sie saßen nicht länger als eine Nacht;

Wohl zu derselben Stunde,

Da ward der Lindenschmidt gericht't,

Sein Sohn und Reitersjunge.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 337-339.
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