351. Das graue Männchen.

[353] Von Daniel Rothgeb.


Es war einmal ein Bäckermeister

Zu Pirmasenz, 's ist euch bekannt,

War nächtlich auch zur Stund' der Geister

Ein graues Männchen ihm zur Hand.


Das heizt den Ofen, rührt sich tüchtig,

Es deckt die Diehle, siebt das Mehl,

Und alles geht so flink und flüchtig,

Und Weck und Brod wird ohne Fehl.


Verschlafen oft und widerwärtig

Ist unser Meister aufgewacht;

Doch sieht die Arbeit stets er fertig,

Wie hat ihm 's Herz im Leib gelacht!


Da denkt er schmunzelnd: »ein Geselle,

Der weder Kost noch Lohn begehrt,

Der ist doch wahrlich auf der Stelle

Noch mehr als dutzend andre werth.


Nur möchte ich ihn schaffen sehen,

Wie flink und wie geschickt er ist,

Würd' heute auf die Wache gehen,

So ich's nur klug zu machen wüßt'!


Doch halt ich hab's! ich werde passen,

Dem lieben Bursch zu Lust und Freud

Ein rothes Röcklein machen lassen,

Und kann es sein, noch lieber heut.«


Und richtig kommt das Männchen wieder,

Will gleich an seine Arbeit gehn,

Da tritt er vor mein kluger Hüter,

Und vor dem Männchen bleibt er stehn.


Er hält das Röcklein ihm entgegen,

Im Munde noch des Dankes Wort

Um seiner guten Dienste wegen –

Und husch! da war mein Männchen fort.


Es wartete zum guten Ende

Das Mörschel in der Muld auf ihn

Und mahnt: Du kannst nun deine Hände,

Mein lieber Dicker, selbst bemühn.


Und wann der Ofen nächtlich hitzte,

Hat seinen Teig er selbst gemacht,

Und wann er dastand, schafft' und schwitzte:

Ob er an's Männchen wol gedacht?

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 353-354.
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