389. Das Lorettokirchlein bei Burgau.

[395] Die vor. Schrift S. 18.


Neben dem Schloßberge erhebt sich in gleicher Richtung der Lorettoberg, auf welchem ein kleines Kirchlein steht, welches still und anmuthig auf die blühenden Fluren des Mindelthals herab sieht. Gerne flüchten sich aus dem Treiben der Welt fromme Betende in dasselbe und es knüpft sich an das Kirchlein eine jener ergreifenden Sagen, wie sie nur dem kindlichen Gemüthe eines noch unverdorbenen Volkes entsprießen können.

Still und friedlich lebte Agnes, die Gattin eines Herrn von Burgau, auf ihrem Schlosse, doch wie groß war ihr Schmerz, als ein kaiserlicher Befehl ihn an den Hof rief. Ihre trüben Ahnungen gingen auch bald in Erfüllung, denn die Feinde ihres Gemahls erstiegen mit Hülfe eines Verräthers in finsterer Nacht das Schloß und bald erfüllte Geräusch der[395] Waffen, Weherufe der Sterbenden und das Siegrufen der Eindringlinge die kurz vorher so friedliche Wohnung.

Vor Schrecken fiel Agnes in Ohnmacht, aus welcher sie in einem finstern Kerker im Lorettoberge wieder erwachte.

Inbrünstig betete sie zu Gott und ergab sich in seinen heiligsten Willen. Von inniger Verehrung gegen die Gottesmutter durchdrungen, bat sie ihren Kerkermeister nur um ein Bildniß der Gebenedeiten. Doch in rohem Spotte gab man ihr zur Antwort, sie sollte nur aus einem Holzscheite ein solches machen, worauf sie vertrauend, daß dem frommen Glauben kein Werk unmöglich, nur ein Werkzeug hiezu verlangte. Höhnisch reichte man ihr eine rostige Messerklinge mit dem Bedeuten, wenn sie mit solchem etwas zu Stande bringe, sollte sie alsbald in Freiheit gesetzt werden.

Allein dieß war unmöglich und in fruchtlosem Bemühen schlief Agnes endlich ermattet ein. Da erfüllte plötzlich, wie der Schlummernden däuchte, himmlischer Glanz den düsteren Kerker, sie erblickte die Muttergottes vor sich, welche sprach: »Dein Vertrauen zu mir sei nicht unbelohnt. Hier sind drei Bilder von mir, baue ein Kirchlein über deinem Kerker und bringe das eine dieser Bilder hinein, das andere sende nach Rom, aber das dritte nach Paris. Vertraue meinem Schutze fernerhin.«

Als nun am Morgen die Feinde Agnesens kamen, um Spott mit ihr zu treiben, zeigte sie ihnen hochbegeistert und wundersam gestärkt die drei Bilder, welche sie erwachend an ihrem Lager gefunden hatte. Grausen und Entsetzen faßte die Bösewichte und achtungsvoll führten sie die Gräfin aus dem Kerker in jene Gemächer der Burg, welche sie früher bewohnt hatte. Sie ergriff die erste sich darbietende Gelegenheit zu entfliehen und war schon bis zum Dorfe Röfingen gekommen, als sie vermißt und auch gleich mit wüthender Hast verfolgt wurde. Aber siehe, da schwärzte sich mit einem Male der heitere Himmel und es erhob sich mitten im heißen Augustmonat ein so furchtbares Schneegestöber, daß jede Verfolgung unmöglich war.

Agnes kam in Sicherheit und fand bald ihren Gemahl wieder, der in kurzer Zeit das Schloß wieder eroberte und wie im Triumphe seine fromme Gemahlin in dasselbe zurückführte. Und nicht lange stand es an, da erhob sich auf der Anhöhe neben dem Schlosse ein Kirchlein, in dem wie im stolzen Paris und im weltherrschenden Rom die Gnadenbilder der Gottesmutter vielen Tausenden Trost und Hoffnung einflößten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 395-396.
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