405. Die Mühle zu Steinheim.

[427] Die vor. Schrift S. 135.


Der dreißigjährige Krieg wüthete mit seinem namenlosen Schrecken schon viele Jahre in Deutschland und auch das Dorf Steinheim war von einer zerstörungssüchtigen Soldatenschaar vernichtet worden. Die Bewohner des Ortes behalfen sich so gut sie konnten, bauten leichte Bretterhütten und waren froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Auch die Mühle war abgebrannt, doch der betriebsame Müller hatte den Muth nicht verloren, und fuhr das Korn, bis seine Mühle wieder gebaut war, sechs[427] Stunden weit bis in das Karthäuserthal, ließ dort mahlen und führte das Mehl dann den Kunden zu.

In reizender Abgeschiedenheit ist dieses Karthäuserthal eine der entzückendsten Partien, die es in hiesiger Gegend geben mag. Malerisch erheben sich aus dem waldbewachsenen Thale, im Umkreise von kaum einer Stunde, die zerstörten Schlösser Hoch- und Niederhaus, sowie das Kloster Christgarten. Zu der Zeit, wo der Müller seine Fahrten dorthin machte, lag Schloß Hochhaus noch stolz auf dem Berge, seine beide Nachbarn waren aber schon Ruinen und dort wo einst die Klosterquelle ihre krystallhellen Fluthen in marmornes Bassin ergoß, floß sie nun über Trümmer und Steingeröll, umwuchert von Schlingpflanzen und üppigem Gesträuche. Schon mehrmal hatte der Müller, wenn er um die Mittagszeit nach Hause fuhr, bemerkt, daß in diesem Quell sich etwas Weißes bewege, schenkte ihm aber nie Aufmerksamkeit. Einstmal kam er etwas früher als gewöhnlich, und bemerkte ganz deutlich, wie aus dem Gesträuche eine weiße Schlange schlüpfte, die ein funkelndes Krönlein auf dem Haupte trug. Diese legte sie auf die Brombeerstauden am Quell und badete sich dann lustig darin. Da schlich der Müller herbei, bemächtigte sich der Krone und jagte dann mit seinen Pferden davon. Aber die Schlange ringelte sich dem Wagen nach und ließ einen gellenden Pfiff ertönen, worauf von allen Seiten Blindschleichen, Nattern und Schlangen sich auf den Wagen und die ängstlich schnaubenden Rosse warfen, welche die Säcke zerbissen und als alles Mehl ausgelaufen, sich um den Müller ringelten, der sich von ihnen nur durch Hinwegwerfen der Krone befreien konnte, worauf die Schlangen von ihm abließen. Wohlbehalten, aber ohne Krone und ohne Mehl kehrte er nach Hause zurück; doch das Glück schien fortan auf seinem Hause zu ruhen, und obwohl seit jener Geschichte an 200 Jahre verflossen, sind die Müller auf jener Mühle stets wohlhabende Leute geblieben.

Von jener Mühle erzählt man sich noch folgende Geschichte. Es ist ein uralter Glaube, daß wer in der Christnacht ein Stühlchen aus neunerlei Holz fertige und in der Kirche daraufknie, alle bemerken könne, welche im folgenden Jahre sterben werden, ebenso alle Hexen, welche verkehrt dastehen, sollen. Am Heimweg von der Kirche dürfe man jedoch nicht umsehen, da einem sonst Schlimmes begegne. Nun erprobte dieß ein Knecht in jener Mühle, blickte aber beim Hinweggehen um und kam erst in der Frühe mit zerfetzten Kleidern und todtbleichem Gesichte zu Hause[428] an. Gegen jene, die ihn fragten, was ihn begegnet wäre, sagte er nur: was er gethan, thäte er um alles Gut der Welt nicht mehr, was er gesehen, sei schauderhaft, doch er erzähle es nicht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 427-429.
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