406. Blindheims Name.

[429] Von Schöppner.


»Heda! lieber Wirth, vom besten

Schenkt uns tapfer ein,

Denn fürwahr! zu edlen Gästen

Schickt sich edler Wein;

Nimmer kehren solche Brüder

Zu euch alle Tage wieder,

Darum lieber Wirth, vom besten

Schenkt uns tapfer ein!«


»Ja! vom besten, liebe Lene,

Schenk uns hurtig ein,

Ubi vinum, ibi bene,

Vivat Vater Rhein!

Wahrlich, solche Gottesgabe

Ist für Leib und Seele Labe,

Drum vom besten, liebe Lene

Schenk' uns hurtig ein!«


Und es kreisen volle Becher

Munter hin und her

Und es zieh'n die flotten Zecher

Manche Flasche leer;

Doch am Ende zum Bezahlen,

Unerquicklichen, fatalen

Mahnt die lieben Herrn Studenten

Jetzt die Stunde schwer.


»Ei! mein guter Wirth, verdrießlich

Scheint ihr fast zu sein,

Wär' ein Spielchen nicht ersprießlich,

Grillen zu zerstreun?

So ein Spielchen laßt uns machen:

Blinde Kuh! da giebt's zu lachen,

Blinde Kuh! das kann ersprießlich

Gegen Grillen sein!«


Und dem lieben Wirthe bindet

Man die Augen zu,

»Blinde Kuh! wer sucht, der findet,

Holla! blinde Kuh!«

Und die flotten Herrn Studenten

Einer um den andern wenden

Auf den Zehen, den behenden

Sich der Thüre zu.


Stille wird's. An leeren Wänden

Schleicht der Blinde sacht,

Weil die lieben Herrn Studenten

Sich davon gemacht;

Lachend sind sie abgezogen,

Blinder Wirth, du bist betrogen! –

Und dem Dörflein ward der Name

Blindheim aufgebracht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 429.
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