415. Der Glockengießer zu Augsburg.

[439] G. Friedrich im Vat. Mag. II. Nr. 15, S. 113.


Schon im Jahre 989 stand auf dem Perlachplatze zu Augsburg ein Wartthurm, der 1036 eine Sturmglocke erhielt, da seine Lage sehr geeignet für die Feuerwache und zur Beobachtung heranrückender Feinde war. Statt dieser Glocke kam 1348 eine viel größere hinauf, zu welcher nur zwei Rathsabgeordnete den Schlüssel hatten. Sie wurde nur bei Hinrichtungen und am jährlichen Rathswahltage geläutet.

Es geht eine Sage, warum sie bei Hinrichtungen geläutet wurde. Während die Metallmassen für diese Glocke im Schmelzen waren, entfernte sich der Glockengießer und hinterließ seinem Lehrlinge den ausdrücklichen Befehl, Nichts anzurühren und Alles liegen zu lassen, wie es war. Der Meister aber ließ den Lehrling zu lange warten. Dieser hielt die Glockenspeise für reif zum Gusse, zog den Zapfen und ließ das flüssige Metall in die Form auslaufen. Das Werk gelang, aber der Meister war unterdessen dazu gekommen und hatte im ersten Zorn über die Mißachtung seiner Befehle den Lehrling erschlagen. Als er nun für seine Missethat zum Tode geführt werden sollte, erbat er sich als letzte Gunst, die von ihm gegossene Glocke möge ihn auf seinem letzten Gange mit ihrem Schalle begleiten. Die Bitte wurde gewährt und seit der Zeit die Glocke bei Hinrichtungen geläutet.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 439-440.
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