433. Der Schloßberg bei Wolfrathshausen.

[454] Fr. Panzer Beitrag S. 36.


Der Erzähler, ein Greis von achtundachtzig Jahren, wußte sich des Ortes, wo der Schloßberg steht, nicht mehr zu entsinnen. In der Nähe[454] von Wolfrathshausen, sagte er, ist ein Schloßberg, wo einst ein von drei Fräulein bewohntes Schloß stand, welches aber versunken ist. Da liegt ein Schatz verborgen, von welchem einst ein muthiger Mann so viel nahm, als er tragen konnte. Das ging so zu: Zuerst beichtete er und nahm ein geweihtes Amulet unseres Herrgottes und der heiligen Mutter auf die Brust, damit ihm der Böse nicht schaden konnte. So nahte er sich dem Platze, wo vor der Höhle ein schwarzer Hund mit glühenden Augen saß, welcher ihm aber den Eingang nicht verwehrte. Er gelangte in ein Zimmer und erblickte drei Jungfrauen in drei Betten liegend. Eine von diesen Jungfrauen, oben weiß, unten schwarz, war wach; die beiden andern schliefen. Als der Mann das feine Bettzeug bewunderte, sagte ihm die halb schwarz, halb weiße Jungfrau, er solle es nur mit dem Finger befühlen; aber das Feuer war so mächtig, daß ihm gleich die Fingerspitze verbrannte. Er ließ sich aber dadurch nicht abschrecken, sondern ging auf die beiden mit Geld gefüllten Kisten hin. Auf einer Kiste lag eine Schlange, den Schlüssel im Maul, welchen sie sich willig nehmen ließ. Er öffnete die Kiste und die halb schwarz, halb weiße Jungfrau sagte ihm, er solle nur nicht mehr nehmen, als er tragen könne, was er auch befolgte. Heraus kam er ohne Plagen, aber desto mehr hatte er im Hineinwege zu bestehen. Der Teufel erschien ihm in allerlei Gestalten und fuhr auf ihn los; er hatte Durst und es wurde ihm Trank geboten, aber er nahm nichts; denn alles war nur Blendwerk, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Mit den drei Jungfrauen hatte es aber folgende Bewandtniß: Sie waren sehr reich und wollten ihr Gut theilen; zwei von ihnen waren blind und wurden von der bösen, halb schwarz, halb weißen Jungfrau betrogen. Sie maß nämlich das Geld mit dem Viertelmaaß. Bei ihrem Theile machte sie das Maaß immer ganz voll; wenn aber die Reihe an die blinden Schwestern kam, kehrte sie das Viertelmaaß um, bedeckte blos den Boden bis zum Rande mit Geld, und ließ die Schwestern mit den Händen darüber streichen, um zu erproben, daß das Maaß voll sei. Wegen dieses Betruges ist sie verdammt. Der Teufel peitscht sie mit Ruthen, bis die Fetzen von ihr hängen; dann wirft er sie Nachts um die zwölfte Stunde in ihr Bett, wo sie augenblicklich wieder ganz wird. Diese Strafe dauert fort, bis Alles fortgetragen ist.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 454-455.
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