56. Der versteinerte Ritter.

[52] Sage von Chammerau unweit Cham im Bayerwalde. B. Grueber u. A. Müller der bayerische Wald. S. 296.


Der Ritter von Chammerau hatte sein Auge auf die schöne Tochter eines Müllers im Regenthale geworfen, fand aber bei der sittsamen Maid kein williges Gehör. Eines Tages, als er in gewohnter Weise von seiner Veste auf Raub auszog, überraschte er die Jungfrau auf der Wiese ihres Vaters, wo sie das Linnen bleichte. Straks faßte er den Entschluß, mit Gewalt zu nehmen, was ihm nicht in Gutem gegeben wurde, und lenkte sein Roß vom Wege ab auf den Grasplatz hin. Das Mädchen aber merkte noch zeitig genug des Ritters bösliche Absicht und suchte sich durch die Flucht zu retten. Wie ein gescheuchtes Reh lief es über die Fluren hin; nicht lange jedoch, so stand es an dem Ufer des Regen, über welchen an jener Stelle weder Brücke noch Steg führt. Vor ihr der Tod im Flusse, hinter ihr Entehrung und Schande; die Wahl war kurz, denn schon sprengte der Ritter mit seinem Trosse näher heran. Mit dem Rufe: »Gott genade meiner Seele!« stürzte sich die Jungfrau in die Fluthen. Diese waren barmherziger als die Menschen, und trugen sie nach einer Untiefe hin, wo sie festen Fuß fassen konnte. Doch war sie noch nicht nicht gerettet, denn der Verfolger setzte ihr auch in den Fluß nach, und bald hörte sie dicht hinter sich das Schnauben der Rosse und das Hohngelächter der wilden Schaar. Mit einem Male aber war Alles still, und als die Jungfrau sich umwendete, sah sie weder Ritter noch Knappen mehr, wohl aber eine lange Reihe ungestalter Felsblöcke, die vom Ufer bis über die Mitte des Flusses sich erstreckte. Die Hand Gottes hatte strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht. Die Steine liegen noch heute im Regen, und man sieht sie, wenn man von Chammerau nach Roßbach hinunter geht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 52-53.
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