64. Der König Wazmann.

[62] Erzählt von F. Englert. – Vgl. Maßmann a.a.O. L. Bechstein, die Volkss. Oesterreichs, I., 67. Auerbacher Volksbüchlein I., 123.


Es herrschte einmal vor alter Zeit im Berchtesgadener Lande ein König, Namens Wazmann. Derselbe liebte weder Menschen noch Thiere, und süße Lust war es seinem grausamen Herzen, die Menschen zu quälen und die Thiere zu martern. Darum war auch die wilde Jagd seine höchste Freude, wo ihn Rüdengeheul und Hörnerschall umgab, daß die Wälder davon widertönten. Doch nicht allein er, auch Weib und Kind fanden hohe Lust an der wilden Hetzjagd, wenn die dampfenden Rosse unter ihnen zusammenstürzten, und das todtgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde. So ging es Tag und Nacht, sonder Ruh und Rast, über Stock und Stein, bergauf und ab, der Saat des Landmannes spottend. Lange Zeit trieb er es so, aber Gottes strenges Strafgericht ereilte den Gottlosen.

»Halloh, hinaus zur wilden Jagd!« tönte es einst wieder durch den Schloßhof; die Hörner schallten, die Rüden heulten, und bald ging es mit Weib und Kindern wieder dahin in wildem Zug. Im Dämmerlicht sieht der König ein Mütterlein, die Enkelin auf dem Schooß, und lenkt sein Pferd vor die Hütte hin, daß Reiter und Roß sie zerstampfte. Und wie der Bauersmann und sein Weib aus der Hütte trostlos traten, um die sterbende Mutter im Hause zu betten, da hetzt der König die schnaubenden Rüden auf sie, daß auch sie unter den Zähnen der Bestien verscheiden. Lachenden Blicks sieht der König zu, und mit ihm die Gattin und Kinder, wie sterbend im Blute Menschen sich winden.

Da hebt das Mütterlein mit gebrochenem Blick empor die zerfleischte Rechte und flucht fürchterlich im Sterben dem König und der Königin mit ihren sieben Kindern, daß sie die Strafe der Gottheit erreiche und in Felsen verwandle. Und die Erde erbebt, der Sturmwind braust, als ob das Weltende gekommen; Feuer sprüht aus dem Schooße der Erde und wandelt Vater, Gattin und Kinder zu riesigen Felsen um.

So steht Wazmann mit Gattin und sieben Kindern in riesige Felsen verwandelt, und blickt als ewiges Wahrzeichen herab in's Berchtesgadener Land.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 62-63.
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