7. Vom Hans Gruber und der goldenen Kette.

[11] Die vor. Schrift.


Hans Gruber, Bürger und Gastgeber zu Salzburg, der auch Holzmeister auf dem Untersberg war, ein schlichter rechter Mann, saß einst auf dem Untersberg auf seinem grünen Plätzlein, wo er immer gesessen war, und sah den Holzknechten zu, wie sie Holz machten. Als er nun an einem Tage sein Brod gegessen und von einem Brünnel, das in der Nähe seines Plätzchens war, getrunken hatte, trug sich Folgendes zu. Während er den Knechten, über die er Holzmeister war, zuschaute, stand auf einmal zunächst der steinernen Wand eine eiserne Thüre offen, und eine Person, die wie ein Mönch aussah, sagte zu ihm: »Hans, geh herein!« Aber der Holzmeister getraute sich nicht, und ging nicht. Abermals sprach der Mönch: »Hans, geh herein!« Aber der Hans ging nicht; denn er fürchtete sich. Zum drittenmale sprach der Mönch: »Sieh! wenn du hereingehst, so gebe ich dir die goldene Kette, die ich hier am Arm trage!« Hans sah die Kette an seinem Arm wohl, aber er sprach: »Gib mir nur ein Glied von dieser Kette, so bin ich zufrieden, aber hinein gehe ich nicht, denn ich fürchte mich.« Da riß der Mönch drei Glieder von seiner Kette ab und warf sie dem Holzmeister in den Hut, in den sie gerade fielen. Laß diese Niemanden unter drei Tagen sehen, und sei froh, daß du sie gerade in deinem Hute aufgefangen hast. Denn wäre ein Glied neben hin gefallen, so würdest du mir nimmer entkommen sein dein Leben lang, bete fleißig! Hierauf ging der Mönch in den Berg und schlug die Thüre zu, daß es wiederhallte. Vorher hatte der Holzmeister schon durch die Thüre in den Berg geschaut, und er hatte nicht anders gedacht, als sähe er einen neuen Himmel und eine neue Welt. Als der Holzmeister zu seinen Knechten, die wohl den Schall vernommen, aber da sie weiter entfernt waren, den[11] Mönch nicht gesehen hatten, zurückkam, erzählte er ihnen von dem Mönche, was er gesagt hatte, und wie er durch die Thüre eine neue Welt zu sehen geglaubt habe. Von den goldenen Ringen aber schwieg er still. Diese hatte er in seinen Rockbusen gesteckt, und drei Tage behalten. Sie waren Gold, und als er sie am vierten Tag wog, hatten sie drei Pfund drei Vierling an Gewicht. Nachher ging der Holzmeister wiederum mit den Knechten auf den Wunderberg, um die eiserne Thüre zu suchen; aber sie fanden sie nicht. Diese ganze Geschichte betheuerte Hans Gruber, und es ist ihm bei seiner Redlichkeit und Geradheit zu glauben.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 11-12.
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