478. Der Schwanenritter.

[7] Die vielverbreitete Sage, – deren Literatur Grimm d.S. II., 291 u. 305 – auch hier im Munde des Volkes.


Es war einmal eine fürstliche Jungfrau von hohem Gemüth und reinen Sitten, die stand eines Tages auf der Zinne der Burg und schaute weit in das Land hinaus. Da kam ein schneeweißer schöner Schwan auf dem See daher gezogen, der zog einen goldenen Nachen, darin ein wunderschöner, schlafender Jüngling saß. Als nun derselbe an's Land gestiegen war, grüßte er die holde Prinzessin mit freundlichen Worten, also daß sie ihn liebgewann und bat, er sollte sie schirmen gegen ihre Feinde. Sie hatte nämlich einen bösen Oheim, der klagte sie vor dem Kaiser unehrbaren Wandels an und behauptete, ihr Land sei an ihn verfallen. Der Kaiser aber befahl, daß ein Gotteskampf zwischen beiden entscheiden sollte. Zu dieser Zeit kam der Ritter mit dem Schwane gezogen, bot sich der schönen Fürstin zum Kämpfer an und erschlug den habgierigen Oheim im Zweikampf. Darauf wählte die holdselige Frau den Schwanenritter zu ihrem Herrn und Gemahl. Nur Eines erbat er sich von ihr: sie sollte ihn niemals fragen, wer und woher er gekommen sei, sonst sei[7] die Stunde ihres Glückes abgelaufen. Aber was die Frauen nicht wissen sollen, das quält sie am Meisten, und so konnte es die Fürstin nicht über sich bringen, eines Tages ihren Gemahl um seine Abkunft zu befragen. Bei diesen Worten verließ der Ritter die Frau und eilte dem See zu, wo der Schwan schon wieder bereit war und ihn im goldenen Nachen davontrug. Von dieser Zeit ist er nie wieder gesehen worden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 7-8.
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