485. Werner von Kalbsangst.

[21] J.B.Haggenmüller Gesch. d. Stadt und gefürsteten Grafschaft Kempten.


Westlich von Kempten, in der Entfernung einer halben Stunde erhebt sich der wegen seiner Umsicht viel bestiegene Marienberg, auf welchem ehedem das Schloß Kalbsangst stund. Nach einer alten Handschrift des ersten Abtes Andegar († 2. November 796) des von der Kaiserin Hildegard gestifteten Klosters zu Kempten, existirte diese Burg schon um genannte Zeit. Während der letzten Jahre des Kampfes zwischen den Gegenkönigen Philipp und Otto soll eine große Unordnung in dem Kloster zu Kempten geherrscht haben. Während ein Ritter mit Namen Guido auf Hilarmont (Burghalde) als Vogt des Stiftes saß, verweilte der Abt Werner von Kalbsangst auf dem Schlosse gleichen Namens, achtete blutwenig auf die Regeln seines Ordens, und überließ sich einem frivolen Leben. Als am Morgen eines Festtages der Abt zur Messe in's Kloster nach Kempten hinab reiten wollte, fand man ihn todt in seinem Gemache. Nach der Sage sollen Raben mit feurigen Schnäbeln und Krallen den Leichnam zerrissen und durch die Lüfte entführt haben. Nach diesem räthselhaften Ableben soll es dann im Schlosse nicht mehr geheuer gewesen sein. Es blieb seitdem unbewohnt und zerfiel in Trümmer. Heutigen Tages sieht man nur mehr schwache Spuren vom Mauerwerk, dagegen noch ziemlich gut den Graben und den Weg, welcher dazu hinführte. Abt Werner war am 27. März 1208 gestorben. Sein Nachfolger in der Abtei war Wolfgang von Königsegg, welcher in Führung der Geschäfte große Klugheit bewies, aber das Stift nur zwei Jahre verwaltete.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 21-22.
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