498. Der Schindelnklieber in den Meltern.

[37] Mündlich.


Zwischen Kaufbeuren und Schongau liegt ein herrlicher Wald, »die Meltern,« der sich zu beiden Seiten der Geltnach hinzieht, deren enges Thal das »kalte Thal« genannt wird. Da hört man in stillen, finstern[37] Nächten in entfernter Waldeinsamkeit ein Geräusche, wie wenn Jemand aus Scheitholz Dachschindeln klöbe: es ist der »Schindelnklieber in den Meltern,« wie er ringsum in der Gegend genannt wird. – In dem nahen Dorfe Stöttwang wohnte einstmals ein begüterter Bauer, der nicht zufrieden mit dem Segen, welchen ihm Gott schenkte, recht wucherig that und allabendlich mit seinem Knechte in die Meltern hinausging, um Holz zu stehlen, das er dann daheim klob und an die armen Nachbarn verkaufte. Da ging einmal Sattlers Jakob um die Mitternachtsstunde von Osterzell, wo er auf der Stöhr arbeitete, nach Hause. Er mochte vielleicht, weil er dem Kornbranntwein kräftig zugesprochen, etwas unterm Hut haben; da erwachte das Courage in ihm und er rief einmal um's andermal in das Gehölze: »Schindelnklieber komm heraus!« – Was geschieht? Er geht lustig seiner Wege, da sieht er mit einem Mal einen großen, schwarzen Hund über dem Wege liegen, dessen feuriges Auge ihn so erschrecklich anblitzte, daß es ihm eiskalt über den Rücken lief. Er bog vom Wege ab in das Gehölze, verirrte sich aber, da ihm immer die funkelnden Augen des schwarzen Hundes vorleuchteten, so sehr, daß er erst nach ausgestandenen Todesschrecken gegen die Morgendämmerung, ganz nüchtern geworden, daheim ankam.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 37-38.
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