502. Todtenwies und Eselsburg.

[40] Mündlich.


Im Jahre 955 lagerten sich die Ungarn oberhalb Augsburg. Kaiser Otto mit seinem tapfern Heere bot ihnen die Schlacht an. Der heilige Ulrich betete um den Sieg und zog selbst mit in den heißen Kampf. Endlich mußten die wilden Horden erliegen, die Mehrzahl wurde niedergehauen, ein großer Theil ertrank im Lech und der letzte Rest wurde von den wüthenden bayerischen Bauern, die Alles durch sie verloren hatten, drei Stunden unterhalb Augsburg erschlagen. Der Ort, wo dieß geschah, hieß die Todtenwiese, daselbst nun heutiges Tages das Pfarrdorf Todtenwies. Nicht weit davon erheben sich auf waldigem Berge die Trümmer der Eselsburg, so genannt, weil ein Esel in hölzernem Kessel das Wasser täglich in die Burg tragen mußte. Hier hauste der Ritter Greimold, ein Schrecken der schwäbischen Nachbaren und der augsburger Kaufleute, die keinen Geleitsbrief von ihm eingelöst hatten. Derselbige gedachte zu heirathen, allein bei allen Burgen und Schlössern, wo er anklopfte, erhielt er abschlägige Antwort. Da hörte er von der Schönheit Jukundens, der lieblichen Tochter Seyfrieds des Killenthalers. Alsbald ließ er sich ihr zum Gemahl antragen, erhielt aber, wie immer, auch hier einen Korb. Zornentglüht sann er auf Rache. Ein treuloser Diener ward bestochen, der öffnete in rabenschwarzer Nacht ein Burgthörlein und Greimold raubte die züchtige Jungfrau und führte sie auf sein Schloß. Allein Jukunde sträubte sich, einem Manne die Hand zu reichen, der weitum als Räuber verrufen war. Greimold warf sie kurzen Entschlusses in's Burgverließ. Doch sein Maß war voll. Der Himmel verhüllte sich, fürchterliche Blitze fuhren hernieder, ein Strahl zündete in der Burg und begrub den Frevler unter seinem eigenen Dache. Jukunde aber wurde durch einen Engel befreit und kehrte unversehrt in ihre väterliche Burg zurück. Noch sehen Mauertrümmer vom steilen Hügel aus Tannenwipfeln in's breite Lechthal hinab, noch sind die Schätze nicht erhoben, welche in der Burg vergraben liegen; aber nur mit Grauen nähert sich der Landmann der unheimlichen Stätte und bekreuzt sich vor dem bösen Geiste des Ritters, der noch in den Trümmern der alten Burg umgeht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 40-41.
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