503. Der Sieh' auf in Rain.

[41] Rainer Wochenblatt 1846 u. Mitth. v. K. Böhaimb.


In dem freundlichen Städtchen Rain befand sich auf der innern Seite ober dem Spitzbogen des Thores ein steinerner, gebarteter Mannskopf mit der Inschrift: »Sieh auf!« Dieser Kopf war nach der Volkssage ein Denkmal menschenfreundlicher Warnung, daß man im Gehen, zumal auf dem Pflaster, vor sich hinsehen und nicht auf Uhren und andere Dinge in der Höhe seinen Blick richten solle, veranlaßt durch den Vorfall, daß Jemand, der im Gehen den alten Thorthurm ansah, stolperte und verunglückte. Allein es scheint, daß dem Bilde eine höhere Bedeutung innegewohnt habe, wie denn die alte Baukunst reich an Symbolen war. »Sieh auf,« heißt so viel als: sei wachsam! Da Rain eine Gränzveste und als solche vielen feindlichen Angriffen ausgesetzt war, das Wahrzeichen aber an dem Thore, das ins Ausland führte, angebracht war, so mag es sein, daß einer der alten bayerischen Herzoge, welchen an dem Besitze Rains ohnehin immer gelegen war, vielleicht Herzog Stephan der Jüngere, der die Stadt mit Mauern und Thoren umgürtete, der Stadt das Wahrzeichen verlieh, als stete Erinnerung, gegen feindliche Gewalt auf der Hut zu sein.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 41-42.
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