524. Ritter Tuschl von Söldenau.

[60] A. Müller u. B. Grueber der bayrische Wald S. 164. A. Müller die obere Donau S. 104. Duller die Donau S. 120 u.A.


Die Pfarrkirche zu Vilshofen gehörte vormals zu einem Chorherrenstifte, das Ritter Heinrich Tuschl von Söldenau im Jahre 1376 stiftete. Auf einem Steine der Kirche las man die Worte:


Ein Gamsel auf dem Stain

lockt mich in Wald hinein,

zway Hund' an ain Bain;

ich Tuschl bleib allain.


Die Veranlassung dieser Aufschrift erzählt die Sage. Heinrich Tuschl von Söldenau diente als tapferer Degen und getreuer Held viele Jahre hindurch dem Sultan von Aegypten. Schon vorgerückt in Jahren kehrte er nach Bayern zurück, reich an Ehren und mit Geld und Gut beglückt. Da kam ihm in böser Stunde der Gedanke, sich in seinen alten Tagen in den heiligen Ehestand zu begeben. Ein armes, schönes Fräulein aus dem Vilsthale, Annerl von Aheim, hatt' es ihm angethan. Zum Unglücke fand die junge Frau an dem von Tag zu Tage alternden Tuschl kein Wohlgefallen, während ein junger Edelknabe ihre Liebe gewann. Als nun eines Abends Herr Tuschl von der Jagd heimkam, fand er weder Weib noch Edelknaben im Schlosse, auch konnte Niemand ihm sagen, wo sie hingekommen. Noch hegte der arglose Ritter keinen Verdacht, sondern glaubte, ein böser Feind habe ihm das Kleinod seines Herzens geraubt. Also griff er zum Pilgerstabe und durchwanderte, die Entführte suchend, schier ganz Abendland. Drei Jahre waren vergangen, als er eines Tages in einem wälschen Städtlein einkehrte. Hier beschloß er zu rasten und seine zerrissenen Schuhe flicken zu lassen. Er trat in eine Werkstätte, aber wie ward ihm zu Muthe, als er in dem rüstigen Schuster seinen Edelknecht Günther erkannte und in der Frau vom Hause sein lang gesuchtes Annerl von Aheim. Jetzt erkannte er den schändlichen Verrath und gedachte im gerechten Zorne das treulose Paar mit dem Stocke niederzuschmettern; doch schnell besann er sich eines Bessern und ging schweigend und unerkannt von dannen. Nach seiner Rückkehr in's Vaterland gründete er das Stift zu Vilshofen, ließ alle seine Waffen und[61] Hausgeräthe mit der Aufschrift: »Allein« bezeichnen und verblieb allein bis an das Ende seiner Tage. Die Chorherren des Stiftes trugen zu Ehren ihres Wohlthäters das Wort: »Allain« in ihr Kleid eingenäht.

Nach einer abweichenden Sage hatte Tuschl sein Weib Untreue halber lebendig einmauern lassen, ein Schuster aber unterirdisch sich zu ihr durchgegraben und sie befreit, worauf Beide vor dem Zorne des Ritters nach Wälschland entwichen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 60-62.
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