533. Der Fischer am Arbersee.

[73] Von Adalb.Müller. – Der kleine Arbersee auf dem Arber in Niederbayern soll in seiner Tiefe von wunderbaren Goldfischlein bewohnt sein, deren eines ein Königreich werth sei.


Der Fischer klimmt wohl den Arber hinan,

Er klimmt wohl hinauf zum See,

Zum See, umgürtet mit Fels und Tann',

Und kühler als Nordlands Schnee.


Er birgt sich tückisch im Uferrohr

Und wirft die Schnur in die Well';

Bald reißt er ein zappelndes Fischlein empor:

»Ei grüß dich, du blanker Gesell!«


Das Fischlein, o Wunder! thut auf den Mund

Und redet mit schlauem Sinn:

»Erbarmen! es spielt sich so lustig im Grund;

Was bringt dir mein Sterben Gewinn?


Du weißt, es schwimmen viel Fischlein hold

Tief unten – tief angle hinein;

Die prangen mit Schuppen von purem Gold,

Ihr Auge ist Edelgestein.


Sie schlafen des Nachts in korall'nem Bett,

Von Perlen erbaut ist ihr Haus;

Wer solch ein Fischlein gefangen hätt',

Der lachte wohl Könige aus.«


»Ho!« sprach der Fischer, »fort ärmlicher Wicht,

Nur flugs in die Pfütze hinein;

Du sättigst den hungrigen Magen mir nicht:

Mich lüstet's nach Edelgestein.«


Und neiget sich vor, und neiget sich sehr,

Will langen bis tief in den Schlund;

Da wird ihm das gierige Herz zu schwer, –

Er stürzt – und sinket zu Grund.


Drob freute das listige Fischlein sich fast,

Rief seine Gespielen all;

Die kamen von Nord und von Süden zu Gast –

Sie kamen zum Leichenmahl.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 73-74.
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