544. Am Grabe der Agnes Bernauer.

[101] Von Eduard v. Schenk.


Jüngst kniet ich in der sühnenden Kapelle

Am Grab' der schönen Agnes, der Bernauer,

Die einst in Albrechts Liebe Glück und Trauer

Und ihren Tod fand in der Donau Welle.


Da hört ich plötzlich, nah der heil'gen Stelle

Orgel und Glocken hallen längs der Mauer,

Den Strom aufrauschen, als ob Reueschauer

Um Agnes Mord hoch seine Wogen schwelle.


Die Glocken schienen dumpf darob zu klagen,

Daß sie ihr einst die unheilvolle Stunde

Der Hochzeit und des Todes angeschlagen.


Die Orgel nur schien freudig zu ertönen,

Daß Gott die Arme rief zu höherm Bunde,

Statt Herzogs- sie mit Engelsschmuck zu krönen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 101-102.
Lizenz:
Kategorien: