569. Zwerge oder Wichtlein in der Umgegend von Kelheim.

[123] Mündlich.


Vieles wissen die Umwohner von Kelheim im Altmühlthale und an den Ufern der Donau von den Zwergen oder Wichtlein zu erzählen, welche den Menschen als wahrhaft gute Geister in allen Handthierungen gerne hilfreich und nützlich werden. So hat es schon mancher Knecht erfahren, der Abends müde von dem halb bestellten Acker nach Hause fuhr, daß er des Morgens das frische Feld gepflügt und wohlbestellt fand, weil die Wichtlein des Nachts mit Eggen, Pflügen und Säen für ihn gearbeitet hatten. Und so haben sie sich oft mit dem Mähen der Wiesen den Dank der Landleute verdient. Denn wenn die Mäher sich Abends zur Ruhe begaben, haben die Wichtlein frischweg ihre Sensen zur Hand genommen und am Morgen lag zur Freude der Schnitter das Heu auf den Wiesen. Gar gerne haben die Zwerglein auch in den Häusern die Geschäfte der Hausfrauen und Mägde übernommen. Ist einmal die Magd mit dem Aufräumen und Scheuern nicht fertig geworden, oder war das Abspülen der Geschirre vergessen, oder die Wäsche nicht ganz zum Aufhängen gekommen, gleich haben sich die Wichtelmännlein Abends eingefunden, und die Nacht mit Spülen und Schwenken, Wischen und Waschen, Fegen und Scheuern bis zum anbrechenden Morgen gar emsiglich zugebracht, also daß man Rahmen und Schränke wohlgereinigt und Schüsseln und Teller spiegelblank angetroffen. – Die Wichtlein müssen eine Freude daran haben, den Menschen etwas Gutes und Liebes zu erweisen. So wollen Landleute oftmals unter Bäumen im Felde gedeckte Tischlein mit Braten, Wein und Fischen angetroffen haben. Andere sind mit alten (römischen) Goldmünzen von ihnen beschenkt davongegangen. Besonders haben sie sich den Schiffern hold und freundlich erwiesen. Einmal hat[123] ein Schiffer in der Gegend von Weltenburg »Hol über« rufen hören. Als er hinübergefahren, ist Ein Zwerg in den Kahn gestiegen; und doch sind am jenseitigen Ufer viele hundert ausgestiegen und hat ein Jeder sein richtiges Fährgeld bezahlt. –

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 123-124.
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