582. Der Klapperer.

[132] Von B. Strauch. – Oberpfälzer Sage.


Es saßen im Dorfe beim Pfänderspiel

Die Knechte, die Mägde zum Rocken,

Sie schwatzten und lärmten und schäckerten viel,

Noch Rädchen noch Zung kam ins Stocken.

»Was soll« – rief einer – »was soll dies Pfand

Das ich jetzt berge in meiner Hand?«


Da hub eine stämmige Dirne an:

»Da draußen im Beinhaus am Thurme

Da stehet grinsend ein knöcherner Mann,

Es klappern die Beinlein beim Sturme,

Wem das Pfand in deiner Hand mag sein,

Der bringe den grinsenden Klapp'rer herein.«


Wohl manche Wange ward leichenbleich

Ob diesem verwegnen Verlangen; –

»Das Pfand ist dein eigen, nun lös' es sogleich,«

Rief der Sprecher, – und Schrecken und Bangen

Durchrieselte alle, und schweigend schritt

Zur Thüre die Dirne mit ernstem Tritt.


Der Scherz war entfloh'n aus dem lockeren Kreis,

Kaum gelang es die Angst zu verstecken.

»Ach es ist nur Schwank, nur kindische Weis',

Sie denket wohl nur uns zu schrecken?«

Da tritt sie herein und keuchet und schwitzt,

Auf dem Rücken der knöcherne Mann ihr sitzt.
[132]

»Ich habe die Lösung des Pfandes vollbracht,«

So spricht sie, »nach euren Geboten,

Wer Muth hat bring in der schwarzen Nacht

Zurück den klappernden Todten!

Ihn zu holen war mir das Ziel gestellt,

Zur Heimfahrt werde ein anderer bestellt.«


Und bittend und flehend gehn alle sie an:

O schaffe zurück die Gebeine! –

»Wohlan denn,« rief sie, »so sei es gethan,

Doch beding ich mir vorher dies Eine:

Ihr reichet als eures Muthes Pfand

Ein jedes dem dürren Gesellen die Hand.«


Und schaudernd folgte das lose Gesind,

Es umfasset jeder die Bratze.

»He Mütterlein hinter dem Ofen geschwind!

Gebt doch auch eine Patschhand dem Schatze!«

So rufen die einen; und grau und gebeugt

Hervor vom Ofen ein Weiblein keucht.


Sie schaut ihm ins hohle Angesicht:

»O daß ich das Mägdlein geboren!

Ich kenne dich wohl, erbärmlicher Wicht,

Du hast es mir abgeschworen!

Nun muß dich mir bringen dein eigen Kind,

Daß dein falsches Herz Verzeihung find't!«


So sei's denn! da hast du die welke Hand, –

»Verzeihe der Oben uns allen.«

Sie sprachs und im Nu in ein Häuflein Sand

War das morsche Gerippe zerfallen.

Und das Mütterlein legte sich nieder zur Ruh

Und schloß auf ewig die Augen zu.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 132-133.
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