608. Kirchweihe zu Waldsassen.

[155] Die vor. Schriften.


Wunderbar lautet Geschichte und Sage von der Weihe des Gotteshauses zu Waldsassen.

Als die Mönche mit Wigand und Gerwich wie gewöhnlich in der Nacht zum Gebet aufstanden, umgab sie vom Himmel herab eine röthliche Helle, in welcher sie eine große Prozession von Priestern sahen; hinter den Priestern einen mit oberhirtlichem Ornate angethan, und dieser weihte den Altar der Kirche, wobei ihm die übrigen dienten. Wigand, der sich aus Furcht vor dieser Erscheinung in das Geheck der Brombeerstauden verborgen hatte, ward nun von den Einweihenden mit überaus sanfter Stimme herbeigerufen und folgender Weise angeredet: Fürchte dich nicht! Ich bin der Evangelist Johannes, gesendet vom Herrn, diesen Ort mir und seiner jungfräulichen Mutter einzuweihen. Der Dienst Gottes daselbst wird so lang nicht aufhören, als er Gott wohlgefällig ist, aber Vieles müssen die Knechte Gottes leiden, daß sie geprüft durch Leiden eingehen in die Herrlichkeit. Also sprach er, und verschwand mit seiner Begleitung in die Lüfte. Und es erschien eine ungeheure Menge Wölfe; die ihre Zähne gegen den Himmel fletschten und fürchterlich heulten; dann verschwanden die scheußlichen Gestalten, welche die künftigen Widersacher des[155] Klosters andeuten mochten. Schnell verbreitete sich der Ruf von dieser wundervollen Erscheinung, welche noch heute in der Kirche Waldsassens auf einem Gemälde zu sehen ist.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 155-156.
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