613. Sankt Gangolfsthurm in Hollfeld.

[158] Von Ph.Zapf. – Noch wird daselbst um 10 Uhr Abends geläutet.


Drei alte Schwestern gingen

Hinaus in den weiten Wald,

Da freut sie der Vögelein Singen

Im lustigen Aufenthalt;


Da freut sie der Blümlein Schimmer,

Des Himmels klares Blau;

Die Lüfte wehten nimmer,

Wie heute, so süß, so lau!


Die Bächlein rieseln so heiter

Durch Moos und wildes Gestein:

Die Fräulein wandern weiter

Und immer tiefer hinein.


Sie reden von Tagen so golden,

Von seeliger Rosenzeit,

Eh' sie Maria, der Holden,

Ihr ganzes Leben geweiht.


Eh' ihnen noch nicht enthüllet,

Daß Liebe ein nichtiger Wahn –

Nacht hat schon Alles erfüllet,

Da finden sie nimmermehr Bahn!


Es schweigen der Vögelein Lieder,

Es schwand die Sonne dahin,

Dicht sinkt der Nebel hernieder:

Sie rufen angstvoll: wohin?


Sie fallen in ihrem Leide

Selbander auf die Knie:

»Gelobt seist, Gebenedeite,

Gelobt seist Du, Marie!


Du hörst die Flehenden gerne,

Verlaß auch Du uns nicht!« –

Da klinget ein Glöcklein ferne,

Da wird es wundervoll licht.


Was soll es anders bedeuten?

Maria erhörte sie:

Es führte das helle Läuten

Sie heim, sie wissen nicht, wie! –


Des Nachts noch heute erschallet

Ein Glöcklein, von ihnen erhöht,

Daß, wenn ein Wandrer noch wallet,

Auf sicherer Spur er geht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 158-159.
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