623. Der Berggeist am rauhen Kulm.

[167] Mündlich.


Ein Holzhacker ging zur Winterszeit auf den rauhen Kulm. Hoch oben, wo die schönsten Fichtenstämme stehen, suchte er sich den mächtigsten Baum zum Schlagen aus. Als nun derselbe von kräftigen Hieben getroffen schon zu wanken und zu krachen anfing, wurde dem Holzhacker fast unheimlich zu Muthe, als ob er ein schlimmes Werk vollbracht. In demselben Augenblick aber, da die herrliche Fichte mit donnerndem Hall auf den Boden schlug, spürte der Mann ein Ziehen und Zerren an seiner Axt, als wenn ihm ein starker Mann dieselbe entreißen wollte. Umsonst strengte er sich an, die Axt zu erhalten: auf einmal war sie verschwunden. Es war der Berggeist, der ihm zur Strafe für das Fällen des schönsten Baumes die Axt entrissen hatte. Das begegnete aber diesem Holzhacker nicht allein, es soll schon vielen widerfahren sein.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 167.
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