631. Entstehung der Kirche und des Pfarrhauses zu Osternohe.

[172] Mündlich.


Etwa dreiviertel Stunden nördlich der vormaligen Veste Rothenberg liegt das kleine Dorf Osternohe in einem ziemlich engen, aber fruchtbaren Thale. Das Dörfchen erweiterte sich allmählig aus dem engen Thal den Schloßberg hinan, an welchem aus dichten Obstbaumpflanzungen hie und da ein Haus herniederschaut. Auf dem Gipfel des Berges stand vor etwa dreihundert Jahren eine stattliche Burg, welche von den Eigenthümern des Dorfes, dem edlen Geschlechte deren von Eglofstein, bewohnt wurde. Jetzt schmücken nur noch Ruinen den Schloßberg. Das Dorf selbst gehörte in die benachbarte Pfarrei Bühl und hatte weder eigene Kirche noch Pfarrer. Ein hochbetagter Ritter von Eglofstein saß auf dem Schlosse, geehrt wie ein Vater von seinen Unterthanen; denn er war eines gar edlen, milden und frommen Sinnes. Wie es Greisen zu gehen pflegt, wurde sein Schlaf oft unterbrochen und ihm die Nachtruhe geraubt. Er stand alsdann auf, ging im Zimmer hin und wieder und schaute wohl hie und da zum Fenster in die stille Nacht hinaus. Da sah er einmal zu seiner großen Verwunderung auf dem Gänsewasen, der unten im Thale nahe bei dem Dorfe auf einer Anhöhe lag, ein kleines Feuer brennen.[172] Er konnte sich nicht erklären, woher das Feuer komme, und ging in Gedanken darüber wieder zu Bette. In der folgenden Nacht that er wieder nach seiner Gewohnheit und das Feuerlein brannte auch wieder. Da rief er seinen Burgwärtel vom Thurm und schickte ihn hinunter, zu sehen, was es doch mit dem Feuer für eine Bewandniß hätte. »Edelgestrenger Herr,« sagte der Diener bei seiner Rückkehr kopfschüttelnd, »das ist ein Feuer, das brennt und hat doch kein Holz!« Auch in der dritten Nacht sah der Ritter das wunderbare Feuer und schickte wiederum seinen Knecht hinunter; aber es blieb bei der ersten Nachricht, »es sei ein Feuerlein, das brenne, und habe doch kein Holz!« Da ward der alte Herr nachdenklich ob dieser sonderbaren Erscheinung und kam endlich auf den Gedanken, das Feuer sei ein Fingerzeig von Oben und bezeichne den Platz zur Erbauung einer Kirche, und er selbst solle der Bauherr sein. Sein Entschluß war bald gefaßt, rasch ging er zur Ausführung. Er rief seine Unterthanen zusammen und gab ihnen sein Vorhaben kund, auf dem von dem Feuer bezeichneten Platze eine Kirche zu bauen und eine Pfarrei im Orte zu gründen. Die Kirche versprach er auf seine Kosten zu bauen, und zur Pfarrbesoldung bestimmte er den Zehend, welcher ihm auf der Ortsflur zustand. Dankbar und freudig vernahmen die Leute solch frommen Entschluß aus dem Munde ihres Herrn. »Ich will aber,« setzte er hinzu, »das gute Werk nicht für mich allein haben; auch Ihr sollt daran Theil haben und euch eine Stufe dabei in den Himmel bauen; ihr sollt für die Wohnung des Pfarrherrn sorgen, und jedes Haus im Orte soll dem Pfarrer alljährlich einen Rauchhahn liefern. Von Herzen gern willigten die Leute in diesen Vorschlag. Man wollte nun gleich über den Bau des Pfarrhauses berathen; da trat ein hochbejahrter Bäckermeister hervor und erbat sich von dem Ritter die Erlaubniß, reden zu dürfen.« »Mein grauer Scheitel,« hub er an, »mahnt mich täglich, daß ich bald ein anderes, besseres Haus bewohnen werde, als mein dermaliges. Ich sterbe ohne Kinder und setze den künftigen Pfarrer zum Erben meines Hauses ein!« Solches Anerbieten ward dankbar angenommen. So hatte gemeinsame fromme Liebe Kirche und Pfarrei begründet!

Der Bau des Kirchleins wurde bald vollendet. Noch steht es in seiner ursprünglichen Gestalt, sehnt sich aber in hohem Alter nach Hülfe, weil es sehr baufällig ist. Nur die »vierzehn Nothhelfer,« welche den Altar schmücken, schauen noch treuherzig auf die Versammlung, und finden von Kunstkennern als Schnitzwerk alter Kunst (etwa von Veit Stoß)[173] Anerkennung. Des frommen Bäckers Haus haben die Pfarrer bis heute bewohnt, aber freilich nur ein nothdürftiges Obdach darin gefunden; denn es schauet fast wie eine Ruine hinauf zu der Ruine des Schlosses, das einst der edle Ritter von Eglofstein bewohnte. Seit 1836 entbehrt es das Wahrzeichen seines Ursprungs, den aus einem mächtigen Baumstamm gehauenen Backtrog. In Folge einer Reparatur des untern Gelasses wurde derselbe weggeschafft. Schreiber dieses sah ihn noch in der niedern und finstern Stube des Erdgeschosses.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 172-174.
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