637. Des Burggrafen Söhne.

[187] Mündlich. – Vgl. dazu Falkenstein (Joh. ab Indagine) Gesch. von Nürnberg S. 366. Oetter wöchentliche historische Nachrichten, Bayreuth 1766. I. Jahrg. S. 1 u. 221. (v. Gundling) histor. Nachricht von Nürnberg S. 71. C. G. v. Murr Beschr. der Merkw. von Nürnberg S. 423 u.A.


In dem Gasthause zum Mondschein in Nürnberg befindet sich ein altes Wandgemälde, das stellt eine Geschichte vor Augen, von welcher das Volk noch heutiges Tages zu erzählen weiß.

Zu Zeiten des Burggrafen Friederich, da noch dichte Wälder die Markung der Stadt Nürnberg umgrenzten, sollen sich zahlreiche Wölfe in der Gegend gefunden haben. Nun war der Nürnbergische Wald dazumal von vielen Zeidlern (Bienenzüchtern) in zerstreuten Hütten bewohnt. Diese wurden von den raubgierigen Thieren gar sehr beunruhigt und schwebten sowohl in ihren ärmlichen Wohnungen als auf dem Gange zur Stadt in beständiger Lebensgefahr. Als nun eines Jahres die Zahl der Wölfe so sehr überhand nahm, daß viele Menschen von ihnen zerrissen wurden, und die Kunde davon zu den Ohren des Burggrafen gedrungen war, beschloß derselbe, große Jagden zur Vertilgung der Raubthiere abhalten zu lassen. Alsogleich erklärten sich die Söhne des Burggrafen, zwei muthige Jünglinge, bereit, in den Kampf mit den Wölfen ausziehen zu wollen. Eine große Anzahl Jäger ward aufgeboten, auch ein gewaltiger[187] Troß starker Wolfshunde zusammengebracht. So zogen die Söhne des Burggrafen eines Morgens mit zahlreichem Gefolge durch die Thore Nürnbergs zum Wolfsjagen aus. Als sie nun an den Hütten der Sensenschmiede vorüber kamen, spielte zufällig ein Knabe, in Wolfspelz gekleidet, vor der Thüre eines Hauses. Kaum ersahen die Rüden das Kind, als sie wüthend darauf losfuhren und es im Nu in Stücke zerrissen. Auf das herzzerreißende Jammergeschrei der Mutter stürzte der Vater aus seiner Hütte. Sprachlos vor Schmerz und Wuth starrte er auf den am Boden liegenden zerfleischten Knaben. In demselben Augenblicke waren alle Sensenschmiede der Nachbarschaft zusammengelaufen und entsetzten sich ob dem grausenhaften Anblicke. Ein Schrei der Rache ging durch die Haufen des versammelten Volks. In wenigen Minuten hatten die Männer Sensen und Beile zur Hand und wandten sich nun ergrimmt gegen die Prinzen und ihr Gefolge. Es kam zu einem wüthenden Gemetzel: bald lagen des Burggrafen Söhne ermordet zu Boden. Als die Kunde davon zu den Ohren des Burggrafen drang, soll er nichts geredet, sondern in stillem Schmerze sich aufgezehrt haben. Die Sensenschmiede aber wurden von den Mannen Friederichs geschlagen, auch sollen ihrer viele damals Nürnberg verlassen und sich in Dinkelsbühl und Donauwörth angesiedelt haben.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 187-188.
Lizenz:
Kategorien: