658. Der verwunschene Hase im Walde, genannt die Schmiere, bei Aub.

[206] Mündlich.


Es war einmal in der hiesigen Gegend ein wilder Jägersmann, der hatte auf der Welt keine andere Freude, als den ganzen Tag die Flinte auf dem Buckel durch Feld und Wald zu streichen. Er galt auch für einen vortrefflichen Schützen, der niemals ohne ein Rehböcklein oder einen Hasen im Ranzen von der Jagd nach Hause ging. Eines Tags war er schon lange Zeit vergebens herumgestrichen, Nichts wollte ihm in den Schuß kommen, daher fing er an zornig zu werden und sich mit gräßlichen Flüchen Luft zu machen. Lieber sollte ihn ja der Teufel holen, rief er aus, eh' er mit leerer Tasche zum Spotte der Nachbarn nach Hause ginge. Als er so brummend und fluchend des Weges fürbaß wandelte, sah er auf einmal am Saume des Waldes einen prächtigen Hasen sitzen, der Männlein machte und mit den vorderen Läufen spielte. Augenblicks legte der Jägersmann seine Büchse an und knall, da sah man die Haare fliegen und den Hasen einen Purzelbaum machen. Spornstreichs rannte der Jäger zur Stelle, den ersehnten Hasen in seine Tasche zu schieben, aber o Schrecken, da war kein Hase weit und breit, auch nicht einmal ein Härlein von einem Hasen zu sehen. So Etwas war dem Manne noch nicht vorgekommen, ingrimmig lud er sein Gewehr zum zweitenmal und strich unter rasenden Flüchen weiter. Auf einmal sitzt der verwünschte[206] Hase wieder am Saume des Waldes. Wart', denkt der Jägersmann, ich will dich dießmal anders auf's Korn nehmen, du sollst mir keine Männlein mehr machen. Damit legt er die Flinte an, zielt scharf auf den Kopf des Hasen und abermals fliegen die Haare davon und der Hase purzelt kopfüber zusammen. Begierig springt der Jäger nach der Stelle, aber siehe – er traut seinen Augen kaum – auch keine Spur von einem Hasen zu treffen. Das ist dem alten Jägersmann doch zu viel, rasend wirft er sein Gewehr auf den Boden, schlägt sich vor den Kopf und bricht in die gräßlichsten Flüche aus, – als ihn auf einmal Jemand rücklings auf die Schulter klopft. Wie sich der Jäger umsieht, steht ein Unbekannter vor ihm, der ihm freundlich zuspricht, wegen eines so kleinen Unfalles die Hoffnung nicht zu verlieren, vielmehr sein Glück zum dritten Male zu versuchen, weil ja doch der beste Schütze zweimal fehlen könne und ein Jäger dann und wann seinen Unglückstag habe. Solcher Zuspruch machte dem alten Schützen frischen Muth, und versprach er dem Unbekannten, nochmals sein Glück zu versuchen, ja lieber sollte ihn heut noch der Teufel holen, als daß er die Schande erlebte, mit leerem Ranzen nach Haus zu gehen. Also nahm er seine Flinte vom Boden, lud sie zum dritten Male und schlenderte vorwärts dem Walde zu. Bald sah er wieder einen Hasen, gewiß den nämlichen, denn er saß wieder so lustig da, spielte und machte Männlein wie die vorigen. »Ich oder du,« brummte der Jäger, drückte los und puff! der Hase baumelte, daß es eine Freude war. »Hab ich dich,« meinte der Alte, und wollte frischweg das Häslein in die Tasche schieben – als auf einmal der Boden unter ihm zu sinken anfing, immer tiefer und tiefer, ihm selbst aber schwindelte und Hören und Sehen verging. Vergebens schrie er um Hilfe und rang die Hände zum Himmel empor: da zeigte sich von Weitem der Unbekannte und schlug ein höllisches Gelächter auf, in selbem Augenblick aber war der Jäger versunken und eine Sumpflache an der Stelle zurückgeblieben. Von dieser Zeit an wurde der Hase noch öfter gesehen, wie er Männlein machte, auch mancher Schuß vergeblich auf ihn abgefeuert. Noch viele alte Leute sowohl in Aub als in Auerhofen und Siemershofen, Orte, zwischen denen das Wäldchen inmitten liegt, erzählen die Geschichte von diesem Hasen. Das Wäldchen aber gilt für einen Ort, wo es nicht geheuer ist, und hat feuchten Grund und Boden, daher es wohl den Namen – Schmiere – erhalten hat.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 206-207.
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