659. Graf Geyers Tod.

[207] Mündlich.


Das Geschlecht der Edlen von Geyer, deren Stammburg halb zerfallen annoch in Giebelstadt zu sehen ist, blühte im sechzehnten Jahrhundert in mehreren Linien im alten Tauber- und Gollachgau. Ein Graf von Geyer saß zur Zeit des Bauernkrieges auf der Burg bei Bieberehren. Eines Morgens in aller Frühe zog eine Schaar bewaffneter Bauern gegen das Schloß heran. Noch lag der Ritter sammt seinen Leuten sorglos im besten Schlummer, als auf einmal der Schrei des Wärtels: die Bauern! die Bauern! durch die Räume des Schlosses drang. Leider war an Widerstand kaum zu denken, denn der Graf hatte erst vor wenigen Tagen den größten Theil seiner Reisigen zum fürstlichen Heere abgehen lassen. Als nun die Bauern bereits zu stürmen begannen, und schon die Schläge der Aexte an's Burgthor erdröhnten, faßte die Frau des Ritters den kühnen Entschluß, ein Wort des Friedens zu den wüthenden Bauern zu sprechen. Sie war weit und breit als eine gute und menschenfreundliche Herrin bekannt und hatte wohl Manchem aus dem Haufen der Bauern schon eine Wohlthat erwiesen. Also trat sie ruhigen Antlitzes auf den Söller hin aus und beschwor den Haufen, ihres Obdachs und Lebens zu schonen. Sichtbar ergriffen von dem Anblick der edlen Frau, gelobten die Bauern, ihrer Person kein Leides zu thun, aber die Burg sammt Besatzung zu Grund zu richten. Kein Reden half, die Wütenden von ihrem Vorhaben abzubringen, nur erlangte die Edelfrau durch ihre Bitten noch die Erlaubniß, Alles, was sie in einer Butte tragen könnte, mit sich zu nehmen. Nichts anders, als ihren theuern Herrn und Gemahl, gedachte sie in der Butte aus dem Schlosse zu bringen. Mit Anstrengung aller Kräfte gelang es ihr auch, die verdeckte Last aus der Burg in den benachbarten Wald zu schleppen, wo der Ritter ein sicheres Versteck unter dichtem Gesträuch zu finden glaubte, bis daß die Bauern wieder von dannen gezogen wären. Aber bald tobte die rohe Horde mit Flüchen und Verwünschungen durch den Wald daher, denn sie suchten den Ritter, welcher ihnen entkommen war. Der hielt sich ruhig in seinem Versteck und wäre vermuthlich den Händen der Verfolger entgangen, wenn nicht sein Hündlein mit lautem Bellen hervorgesprungen[208] und also den unglücklichen Herrn verrathen hätte. Sogleich drangen die Unmenschen auf den Entdeckten los und stachen ihn unter höllischem Siegsgeschrei nieder. Ein steinernes Kreuz, dessen Aufschrift leider verwittert ist, hart an der Mündung des Steinachbaches in die Tauber soll die Stelle des Mordes bezeichnen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 207-209.
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