664. Die Kunigundiskapelle bei Bürgerroth.

[212] Mündlich.


Alle über den Bau dieses Gotteshauses vorhandene Nachrichten fußen auf uralter im Volke lebender Sage.

Etwa zehn Minuten von Bürgerroth, einem Filiale von Baldersheim, steht nahe der Kante des gegen das Gollachthal abschüssigen Berges auf freiem Felde eine Kapelle, daneben ein ehrwürdiger Lindenbaum. Schon die Bauart des Kirchleins weist auf tausendjähriges Alter. Wie und wer sie erbaut, erzählet heilige Sage.

Die fromme Kaiserin Kunigundis hatte drei Kirchen zu bauen gelobt, die Auswahl der Bauplätze wollte sie göttlicher Fügung überlassen. Also ließ sie zu Bamberg von hohem Söller des Schlosses drei weiße Schleier fliegen, die von den Winden hoch getragen durch die Lüfte dahin schwebten. Wo dann ein solcher Schleier gefunden würde, da wollte sie eine Kirche bauen. Einer dieser Schleier wurde bis nach Bürgerroth durch die Lüfte getragen und blieb daselbst an einer Linde hängen, da wo noch heutiges Tages die Kunigundenkapelle steht.

Als es nun zum Baue der Kirche kam, wollte man diese zur Pfarrkirche der Gemeinde Buch bestimmen. Weil aber der Platz, wo der Schleier hängen blieb, eine halbe Stunde von Buch entfernt ist und der Weg dahin noch heute beschwerlich, so wollten die Bucher das Kirchlein in ihr Dorf gebaut haben, worauf aber die Kaiserin, ihres Gelübdes eingedenk, nicht einging. Die Einwohner von Buch schafften daher eigenmächtig die zugerichteten Steine des Tags nach Buch, allein jedesmal wurden dieselben des Nachts durch unsichtbare Macht wieder an ihren alten Ort zurückgebracht. Ein Zimmermann, welcher dieses Wegschaffen des Baugeräthes nicht begreifen wollte, legte sich einmal Nachts zu Buch auf die Steine und siehe, als er des Morgens erwachte, fand er sich nicht mehr zu Buch, sondern an dem Orte, wo der Schleier war hängen geblieben. Als so die Bucher sahen, daß sie Nichts ausrichteten, standen sie ab von ihren frevelnden Versuchen, und so wurde die Kapelle an dem zuerst bestimmten Orte erbaut und diente als Pfarrkirche für Buch und Bürgerroth, sowie das umliegende Feld zum Leichenacker für beide Orte[213] bestimmt ward. Und so steht das Kirchlein heute noch fest und unerschüttert und schaut ein Zeuge uralter Zeit in's Thal hinaus.

Auch wird in der Nähe der Kapelle ein vier Schuh breiter, drei Schuh tiefer und ebenso langer Stein gezeigt, in dessen Mitte man zwei Vertiefungen sieht. Von diesem Steine geht die Sage, die heilige Kaiserin habe am Tage der Einweihung der von ihr erbauten Kapelle hier knieend ihre Andacht verrichtet und zum ewigen Angedenken ihre heiligen Kniee in den Stein eingedrückt, daher noch heutiges Tags der Stein Kunigundisstein genannt wird.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 212-214.
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