735. Das Reuerer Küchenlatein.

[260] Mündlich.


Im Reuererkloster zu Würzburg war einmal ein Koch, der nicht studirt hatte, aber oft von den Patern manchen lateinischen Brocken hörte und auffing. Hatte er nun solche Brocken aufgefangen, so hatte er nichts[260] Eiligeres zu thun, als dieselben, die er oft mißverstanden, seinem Küchenjungen mitzutheilen. Einst kam unbemerkt der Prior in die Klosterküche und vernahm, wie der gelehrte Koch seinem Küchenjungen die aufgeschnappten lateinischen Brocken dozirte. Da sagte der Prior lächelnd:


»Wenn Einer kann zwei Wort' Latein,

So will er schon ein Doktor sein.«


Seit der Zeit sagen in Würzburg die Professoren zu den Schülern, welche recht viele Böcke im Lateinischen machen: Das ist Reuerer Küchenlatein!

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 260-261.
Lizenz:
Kategorien: