757. Die scharfe Scheere.

[274] Die vor. Schrift S. 244.


Außen an der Pfarrkirche zu Münnerstadt ersieht man einen Grabstein, auf welchem eine Scheere eingehauen ist. Der unter dem Grabstein Ruhende war ein andächtiger Schneider, welcher sich aber in seiner Andacht gar zu oft vom Teufel gestört sah. Dieser erschien ihm dann und flüsterte ihm zu, daß er recht viel Tuch in die Hölle werfen solle, und trieb auch sonst mit dem Schneider viele verfängliche Possen. Der Geplagte klagte seine Noth einem frommen Mann, und empfing von diesem den Rath, so der Teufel das nächste Mal sich wieder einstelle, solle er die Scheere nehmen, und ihm den Schwanz abschneiden. Diesem Rath beschloß der andächtige Schneider zu folgen; er schärfte seine Scheere, und als der Teufel wieder kam, schnitt er ihm den Schwanz rups und kahl vom Leibe weg. Der Teufel schrie Mordjo! fuhr von dannen und ließ den Schneider fortan in Ruhe. Die Scheere blieb lange als Erbstück bei der Familie. Auf dem Grabstein grub man ihr Bild zum Gedächtniß[274] ein. Seitdem sich das zu Münnerstadt begab, geht nun der Teufel ohne Schwanz unter den Leuten umher, und ist gar nicht mehr zu erkennen; daher kommt es auch, daß so viele sagen, es gäbe keinen Teufel mehr.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 274-275.
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