811. Der Schatz auf Disibodenberg.

[335] W.O.v. Horn Bilder aus dem Nahethale S. 126.


Da, wo Glan und Nahe zusammenfließen, steht auf felsiger Höhe die Ruine des Klosters, das vor Zeiten der heilige Disibod, der Irländer, gegründet und bewohnt hat. Während der Erbfehde zwischen Kurpfalz und Pfalzzweibrücken hatte der Herzog Alexander von Zweibrücken im Jahr 1504 das befestigte Kloster durch seinen Hauptmann Eisengrein besetzen lassen. Der Kurfürst dagegen sandte seinen Kreuznacher Vogt Braun von Schmidburg sammt dem Landschaden von Steinach mit Mannschaft dahin, das Kloster zu nehmen. Eisengrein zog bei der Annäherung der Kurpfälzer schleunig ab. Die Mönche waren vorher schon geflohen und hielten sich zu Meisenheim auf. Nur der Pater Pförtner war nicht mit dahingegangen, unter dem Vorwand, er wolle sich in der Nähe des Klosters halten, um zu sehen, wie es dort zugehen werde. Er ging aber bei Nacht und Nebel, noch ehe die Zweibrücker abgezogen waren, in das kurpfälzische Lager und verrieth dem Schmidburger, daß der Abt die Kostbarkeiten des Klosters versteckt habe. Den Ort wollt' er ihm zeigen,[335] wenn er Halbpart gäbe. Als sie nun in's Kloster kamen, befahl der Vogt dem Pförtner, ihm die Stelle zu zeigen, dieser aber verlangte erst zu wissen, wie getheilt werden solle. »Dir soll werden, was du verdienst,« sprach Braun, und der Pater zeigte nun die Stelle im Keller, wo er, hinter einem Fasse versteckt, den Abt ein eisernes Kästchen hatte einsenken sehen. Der Schatz wurde gehoben und Braun und der Landschad theilten ihn vor des Pförtners Augen. Als dieser seinen Theil verlangte, ließ Braun zwei Landsknechte kommen und sagte: »Gebt dem Verräther seinen Theil!« und die Landsknechte hängten ihn auf unter der Klosterpforte.

Das Kästchen hat aber nicht alle Schätze des Klosters enthalten. Die ganze Umgegend weiß, daß noch Haufen gemünzten Goldes auf dem Disibodenberge verborgen liegen. Der böse Feind aber bewacht den Schatz in Gestalt eines schwarzen Hundes. Nur in der Nacht vor dem Tage des Ordenspatrons, des heiligen Benedikt von Nursia, weicht der Gottseibeiuns, und die zwölf Apostel des Herrn harren alljährlich in dieser Nacht des Erwählten, dem sie den Schatz geben können. Es ist jedoch nicht leicht, denselben zu erhalten, denn es sind drei Bedingungen daran geknüpft. Erstlich muß die Hand, welche den Schatz heben soll, rein sein von Betrug und Unrecht; zweitens darf nicht Habsucht in das Gewölbe führen, in dem der Schatz liegt; drittens muß der, welcher ihn haben soll, in jener Nacht in dem Gewölbe schlafen und völlig unabsichtlich durch die Noth dahingeführt worden sein.

Da war nun in dem nahen Flecken Odernheim vor vielen vielen Jahren ein Jude, der viele Kinder und viele Schulden, aber weder Geld noch Brod hatte, weil er sich auf den Schacher gar nicht verstand. Die andern Juden, die sich über den einfältigen ehrlichen Narren ärgerten, vertheilten seine Kinder unter sich, ihn aber ließen sie als Bettler laufen. Izzik, der für den Winter kein Obdach hatte, kam auf den Gedanken, in den Klosterkellern freie Herberge zu suchen und machte sich in einem trockenen Winkel ein Lager von Laub, Moos und Stroh zurecht. Er sah dort niemals ein Gespenst, nicht einmal den erhängten Pförtner, der doch umgehen soll. In der bewußten Nacht aber wurde er plötzlich geweckt durch den Ruf: »Izzik, steh auf!« Der gute Jude rieb sich die Augen und sah mit Schrecken, daß das ganze Gewölbe hell erleuchtet und doch kein Licht da war. Im Hintergrund des Kellers aber stand ein Tisch von Stein und um denselben saßen zwölf Männer mit mächtigen grauen Bärten, welche durch den Steintisch gewachsen waren und bis auf den[336] Boden reichten. Vor ihnen lag ein großer Haufe blinkender Goldstücke. Der Jude zitterte wie Espenlaub, und die Füße wurden ihm zu schwer zum Entfliehen. Einer der Zwölfe, es war der Apostel Petrus, rief Izziks Namen und sprach: »All das Gold hier soll dein eigen sein, wenn du dreimal hier um den Tisch läufst, ohne das Geld anzusehen und ohne irgend etwas davon zu berühren.« Judas, der Geizhals, sah scheel dazu und wühlte mit der Hand in dem Golde. Izzik aber freute sich, dasselbe so leichten Kaufes gewinnen zu können, drückte die Augen zu und fing an um den Tisch zu laufen. Es war ihm aber dabei, als läg' es centnerschwer auf ihm, und dicker Schweiß stand ihm auf der Stirne, als er einmal herum war. »Brav!« sagte Petrus, der dem ehrlichen Juden das Geld gern gönnte, Judas aber grinzte und lachte höhnisch. Mit großer Anstrengung vollendete Izzik den zweiten Umlauf. Während er verschnaufte, sagte St. Peter: »Eile, denn wenn es auf dem Thurm zu Staudernheim Eins schlägt, ist alles vorbei!« Izzik drückte die Augen noch fester zu und begann zum drittenmal. Judas aber, der Erzschelm und Neidhammel, stellte dem Juden ein Bein, daß er zur Erde fiel. Zugleich ließ er sachte ein Goldstück auf den Boden fallen. Beim Fallen schrie der Jude und that unwillkührlich die Augen auf. Er sah das Goldstück und griff's auch schnell, daß es ihm nicht entgehe. Da schlug die Glocke zu Staudernheim Eins. Judas lachte, daß das Gewölbe schallte, Izzik bekam eine Maulschelle, an die er sein Lebtag dachte, und alles war weg, ringsum stockfinstere Nacht. Das eine Goldstück aber hielt der Jude fest. Seitdem hat's keiner mehr so nahe gehabt, und der Schatz ruht noch zur Stunde.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 335-337.
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