832. Heinrich Toppler.

[356] Bensen Histor. Unterss. über die Gesch. v. Rotenburg S. 219 ff. Desselben Alterthümer etc. S. 93.


Der Mann, von dem die Rotenburger Sage am meisten zu erzählen weiß, war Heinrich Toppler, der Bürgermeister. Toppler galt als der[356] reichste Mann seiner Zeit in der Stadt, so daß er 80000 Gulden besteuerte; dabei besaß er viel an Gütern, Waldungen, Mühlen und Gülten. Als ein Hauptmann der verbündeten Städte in Schwaben und Franken erwarb er sich großen Kriegsruhm, und war so kühn, daß er seine Feinde bis an den Rheinstrom verfolgte und ihre festen Schlösser zerbrach. Ja viele bedeutende Anlagen in der Stadt werden ihm zugeschrieben und besonders war er auf ihre Erweiterung und Befestigung bedacht. Bei Fürsten und Herren im weiten Umkreis galt sein Name viel, und das gemeine Volk war ihm so anhänglich, daß wenn er an Festen in die Kirche ging, stets dreißig oder vierzig Bürger ihn heimbegleiteten. Damit seinem Glück es in nichts fehle, so war er auch im Haus mit drei kräftigen Söhnen und fünf züchtigen Töchtern gesegnet, von denen zwei bereits an Söhne edler Rathsherren vermählt waren. Gegen einen solchen Mann schlief der Neid nicht. Es verbreitete sich das Gerücht, Toppler halte mit seiner Sippe gegen den Stadtbrauch in seiner Wohnung über seine Vasallen Gericht und habe sich für diese ein eigenes Gefängniß bauen lassen. Den weitern Verlauf erzählt die Volkssage nach ihrer Weise also: Im trunkenen Muth würfelten Burggraf Friedrich von Nürnberg und Heinrich Toppler um die Stadt Rotenburg, wer künftig ihr Herr sein sollte; Toppler warf eilf Augen, aber der Burggraf zwölf. Seit der Zeit dachte jener darauf, die Stadt seinem Bundesgenossen zu übergeben. Dieses erkannte aber die Weisheit der Rathsherrn daran, daß einige alte Thüren der Stadtmauer, die der Bürgermeister der Befestigungsarbeiten wegen hatte einreißen lassen, gar lange nicht wieder aufgebaut wurden. Als nun Toppler einstmals mit zwei andern Rathsmannen nach Ansbach gesendet wurde, rief die Rathsglocke plötzlich den Rath zusammen, und die Parthei seiner Feinde trat jetzt hervor. Durch nachsetzende Reiter wurde Toppler unter einem Vorwand zurückgerufen, und da er als Bürgermeister die erste Stimme hatte, so wurde er befragt: was einem Verräther der Stadt gebühre. »Hungers zu sterben,« erwiederte der Unbesorgte unverzüglich. Da ließ ihm der Rath sein eigen Urtheil verkünden, und ihn in das geheime Staatsgefängniß unter dem Archiv werfen. Dort lag er manchen Tag, bis er verschmachtete. Andere behaupteten, er sei an Gift gestorben. Sein bekümmertes Weib, setzt die Sage noch hinzu, versuchte es, von den Kellern ihres Hauses aus, einen unterirdischen Gang bis zum Gefängniß ihres Eheherrn treiben zu lassen, kam aber zu spät. – Toppler wurde in die Kirche begraben, wo ein Altar seinen Namen führt. Im[357] Jahr 1839 fand man bei einer Wiederherstellung der Steinplatten auf dem Boden des Chores unter dem größten schwerbeweglichen Stein das guterhaltene Gerippe eines langgewachsenen Mannes, der fast dicht unter der Fläche des Steines und dem Anschein nach ohne Sarg und Zubehör, von dem sich doch immer eine Spur erhält, leicht in die Erde verscharrt war. Das dürften wohl Heinrich Topplers Reste gewesen sein. Der Grabstein an der Kirchenthür von St. Jakob mit dem Wappen ist wohl erst später gesetzt, als der Kaiser Ruprecht über das Verfahren des Raths ein strenges Urtheil gefällt hat.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 356-358.
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