853. Die heilige Walburgis.

[383] Von Ed. Bönecke. – A. Crammer das heil. u. gotts. Eichstädt, S. 70. Rader. Bav. S. III., 46. Th. D. Popp Anfang und Verbreitung des Christenthums im südlichen Teutschlande. Ingolstadt 1845. S. 180.


Walburgis die, von Königsstamm entsprossen,

Von Albion sammt ihren beiden Brüdern

Nach Deutschland kam, um hier den Sieg

Des Christenthums noch weiter zu verbreiten,

Herrscht in dem Kloster, das zu Heidenheim

Der eignen Brüder Einer einst gegründet,

Als Aebtissin.


Rings um sie Heiligkeit

Zu der hienieden nur die Auserwählten

Gelangen durch des Himmels Gnad' und Huld;

Rings um sie Glanz, wie Engel ihn ergießen,

Ob sie auch selber bleiben unsichtbar;

Rings um sie Kraft und Macht, in der Gedeihen,

Wie nur durch Gottes Hand es wird zu Theil;

Rings um sie Heiterkeit, in welcher Tugend

Und Frömmigkeit als holde Schwesterbilder

Sich spiegeln.


Einst als schon der späte Abend

Hereingebrochen, sitzt die Heilige

In ihrer Zelle, die ein Licht durchglänzt,

Das kaum der Sonne Schimmer zu vergleichen.

Zwar ist Walburgis von den Schwestern fern,

Doch weilt bei ihr, dem sie als Bräutigam

Für Erd' und Himmel liebend sich ergeben.[383]

Sein Anschau'n ist ihr Wonn' und seinem Mund

Entnimmt sie, was zu thun ihr zugewiesen,

Um unter Menschen Gottes heil'ges Reich

Durch Lieb' und Wohlthun weiter zu verbreiten.

Von seiner Hand wird ihr dazu die Kraft,

Um betend Wunderthaten zu verrichten.


So eben tönet ihr des Heilands süßes Wort:

»Walburgis, auf! Dich rufen hohe Pflichten,

Du wirst sie üben, und verherrlichen

Will ich auf's Neue meines Namens Ehre,

Noch eh' der neue Tag am Himmel glüht.

Ich will dich, Treue! führen – folge mir! –

Und was du thun sollst, in das Herz dir legen.«


Walburgis macht sich auf und gehet, ohne

Daß eine ihrer Schwestern es bemerkt,

Durch ihres Klosters wohlbewachte Pforten.


Sie kommt zu eines reichen Mannes Haus

Und steht an dessen Thür gleich einer Fremden.

Als nun der Hausherr sie daselbst erblickt,

Besorget er, daß durch die Wuth der Hunde

Die Unbekannte leicht an ihrem Körper

Ein Unglück leide. Er befiehlt sogleich,

Sie möge schnell kund geben wer sie sei.


Sie aber spricht: »O keinesweges fürcht' ich,

Daß mir von deiner Hunde wüth'gem Zahn

Ein Leid geschehe. Sie sind nicht im Stande,

Walburgis, also heiß' ich, zu verletzen.

Denn er, der unverletzt zu deinem Hause

Mich führte, der wird an denselben Ort,

Woher ich kam, gesund zurück mich führen;

Auch wird der Herr, deß Dienerin ich bin,

Durch mich dir der Gesundheit Balsam spenden,

Wenn du mit deinen ganzen Kräften glaubst,

Daß er der Arzt der Aerzt' ist.«


Unverweilt

Eilt, achtlos seines Rangs, der Hausherr selbst,

Um sie, die hohe Jungfrau, zu begrüßen,

Sie, die das Volk als eine Heil'ge kennt.
[384]

Als nun die Nacht hereingebrochen war,

Nachdem des Abends Stunden noch Walburgis,

Dem Beispiel ihres Himmelsbräutigams,

So lang er auf der Erde wandelte,

Nachfolgend, in Gesprächen zugebracht,

Die über Welt und Zeit den Geist erheben

Und ihn einführen in die Herrlichkeit,

Die als des frommen Christen Erbtheil harrt:

Da will die Jungfrau nirgend anders sich

Als im Gemache, wo zum Tode krank

Die Tochter liegt, zur Ruhe legen.


Ehrfurcht

Gebeut, ihr zu bewilligen den Wunsch

Und sie allein zu lassen bei der Kranken.


Ein Wunder nun bereitet sich. Walburgis

Liegt im Gebete vor des Heilands Kreuz

Die Nacht hindurch, und schon am Morgen eilet

Zum lang und schmerzlich ach! entbehrten Gruß

Gesund in ihrer Eltern Arm die Kranke.


Wer malte würdig wohl des Vaters Freude,

Wer treu der Mutter unbegränzte Wonne

Nach so viel Tagen tiefster Seelenschmerzen?


Als d'rauf die Eltern dem Allmächtigen

Für solch' ein Wunder seiner Vatergüte

In brünstigem Gebete Dank gebracht,

Da bieten sie, noch ganz von Wonne zitternd,

Der heil'gen Jungfrau mancherlei Geschenke

Von hohem Werth. Die aber lächelt hold:

»Was soll mir dieses Alles? Hab' ich nicht

Ihn selbst, der solche Wunder thut? Ist Christus

Der Heiland, selber nicht mein Eigenthum?

Behaltet Euer Gut und wollet Ihr,

Daß Gott gefällig es verwendet werde,

So theilt's den Dürftigen und Armen aus,

Was meinen Dienst, wie Ihr es nennt, betrifft,

So wisset, daß, was ich umsonst bekommen,

Ich auch umsonst vergeben.« – Also sprechend

Verließ sie das beglückte Haus und ging

Zurück in's Kloster, wo sie lange noch[385]

Als eine Hochbegnadigte vom Herrn,

Durch Frömmigkeit, Gebet, Wohlthat und Wunder

Am Dom des Gottesreichs auf Erden baute,

Bis Engel unter Jubelklängen ihre Seele

Empor zum Thron des Dreimalheil'gen trugen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 383-386.
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