860. Der Grieche.

[396] Mittermaiers Sagenbuch 1850 S. 112.


Prachtvoll residirte zu Dillingen der Bischof Petrus von Schauenburg, der später Kardinal wurde. Freund ritterlicher Ergötzungen ließ er manches Ritterspiel in seinem Schloßhofe aufführen und bewirthete dann die zahlreichen Gäste, welche seine Freigebigkeit stets um ihn versammelte, fürstlich. Herr Petrus war ein feiner, weltkluger Mann, der auf dem Concilium zu Basel gewesen und in manchen Staatsangelegenheiten von den Königen Englands und Frankreichs, wie von den Herzogen von Burgund und jenen von Bayern zu Rathe gezogen wurde.

Als im Mai 1453 das griechische Kaiserthum mit seiner Hauptstadt Konstantinopel in die Hände der Türken gefallen, fanden sich fast an allen deutschen Höfen flüchtige Griechen ein. Auch Herr Petrus nahm[396] sich eines solchen Vertriebenen huldreich an, umsomehr, als derselbe durch seine Gelehrsamkeit und sein Wissen als Arzt diese Güte auch in reichlichstem Maaße zu verdienen schien. – Der Grieche, welcher sich mit seinem Diener hier niedergelassen, hieß Kartaphilus, und oft wurde er, als sich sein Ruf immer mehr verbreitete, zu Kranken gerufen. Doch seltsam war es, wenn er sah, daß so ein Patient rettungslos verloren, harrte er mit gespannter Aufmerksamkeit auf den letzten Athemzug desselben, küßte ihm denselben von den Lippen und hauchte dann in eine gläserne Phiole, welche er sorgfältig wieder verschloß. In das Gemach, welches er in einem Thurme des Schlosses bewohnte, durfte außer seinem Diener Niemand und es hieß, er mache dort für den lebenslustigen Fürstbischof Gold. Der Grieche mußte schon sehr alt sein, denn sein Bart war schneeweiß und sein Gang gebückt. Plötzlich war er verschwunden, und sein Diener gab nur verlegene Antworten über den Vermißten, so daß der Bischof das Thurmgemach mit Gewalt öffnen ließ. Da fand man die Luft voll Qualm und Dunst, räthselhafte Kreise auf dem Boden gezeichnet und in einer Ecke den Griechen mit umgedrehtem Halse und zerschmettertem Gehirne, das an den Wänden verspritzt war.

Der Diener aber sagte aus: daß sein Herr sich im Gemache verschlossen und ihm strenge befohlen, so lange Niemand vor ihn zu lassen, bis er sich wieder zeige. Er wisse aus manchen Reden desselben, daß er im Glauben gestanden, mit Hilfe eines Dämons und des letzten Lebenshauches, welchen er seit Jahren von Sterbenden gesammelt, sich wieder verjüngen zu können; das Experiment müsse jedoch mißlungen sein. Der Bischof ließ den Leichnam auf dem Schindanger verscharren und somit glaubte Jedermann die Sache beendigt.

Nun ließ sich seit undenklichen Zeiten in den unterirdischen Gewölben des Schlosses ein harmloser Hausgeist sehen. Schattenartig schwebte ein gespenstartiger Reiter, den ein schwarzer Pudel begleitete, durch die Räume, verschwand jedoch jetzt auf einmal, als in den obern Gemächern ein so heilloser Spuck begann, den Jedermann dem Griechen zuschrieb, daß der Bischof schon im Begriffe stand, nach Augsburg zurückzukehren; dieß geschah aber nicht, da ein Exorcist den Spuckgeist, der sich ihm in Koboldsgestalt zeigte, in ein Gefäß bannte, welches man in der Gegend verscharrte. Von dieser Zeit begann auch der geisterhafte Reiter wieder seinen Ritt, den er vielleicht bis auf den heutigen Tag fortsetzt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 396-397.
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