874. Das Königsfest zu Memmingen.

[409] Nach Ph.Karrer's Memminger Chronik. Vgl. Sagenb. I. 29.


In ältern Zeiten wurden die drei ersten Schulkinder mit Kronen, Zepter und Blumensträußen geschmückt, und hießen Könige und Königinnen,[409] und hatten noch die drei ersten Kinder vom vorigen Jahr, die auch so geschmückt waren, und noch drei andere, welche Gesangführer hießen, zur Begleitung. Dieses war mit großem Kostenaufwand verbunden; daher die Schulmeister allezeit große Schwierigkeiten hatten, solche Eltern zu finden, die geneigt waren, mit ihren Kindern diesen Aufwand zu machen, weßwegen dann selten diejenigen, welche durch Fleiß und Geschicklichkeit das Prämium verdienten, dasselbe erhielten. In neuern Zeiten ist das abgeschafft und vereinfacht geworden; doch ist noch immer die Sache nicht ganz im Reinen, denn diese Eltern wollen es auf diese, jene auf jene Art gehalten wissen. Am Pfingstdonnerstag begeben sich viele Eltern mit ihren Kindern in ein vor der Stadt gelegenes Wirthshaus, wo alsdann die Schulmeister mit einem Reihen auf einem grünen Platze den Kindern eine öffentliche Freude machen.

Der Ursprung dieses sogenannten Königsfestes soll sich von Kempten herschreiben, und sei im achten Jahrhunderte auf folgende Art entstanden.

Karl der Große kam einmal nach Kempten in das Schloß Hilarmont, oder Bürkhold, zu seiner Gemahlin Hildegarde, die sich daselbst aufhielt, um den Fortgang des Klosterbaues zu besehen. An der Tafel soll unter seinen drei Söhnen, Pipin, ein muthiger Prinz, zu seiner Mutter in folgenden Ausdrücken gesagt haben: Ei! meine liebe Mutter, wenn der Herr Vater gen Himmel gekommen ist, werde ich darauf König werden? Karl, der andere Sohn, ebenfalls begierig zu herrschen, wandte sich an seinen Herrn Vater, und behauptete: er müsse im Reich als Thronfolger nachfolgen. Ludwig wollte auch Regent sein: dieser wandte sich an seine beiden Eltern. Hildegardis endigte den Streit also: auf ihren Befehl sollten die drei Söhne von den Bauern in dem Flecken Kempten ein jeglicher einen eigenen Hahnen holen; wessen Hahn im Kampfe den Sieg davon tragen würde, der sollte König sein. Ludwigs Hahn siegte. Als sie nun bei der Schule vorbeizogen, so begleiteten die Schüler, weil es gerade um die Zeit war, wo sie aus der Schule gingen, die drei Prinzen bis zum Schlosse. Dieses Spiel gefiel den königlichen Prinzen selbst, und andern Schülern, daß diese es im folgenden Jahre wiederholten, und in Prozession herumzogen. Als man nun anfing in den Oertern zu Kempten, auch in dem Flecken Grünenfurth, welches das jetzige Memmingen ist, Schulen anzulegen, wurde dieses Fest von der Schuljugend auch begangen, besonders zur Aufmunterung im Fleiße, man wählte allezeit (das doch nicht immer geschehen ist, wie schon gemeldet) drei aus den[410] besten Schülern. So entstand das sogenannte Königenfest, das 1804 eingestellt wurde. Der Scherz mit den Hahnen ging nachher zufälliger Weise in seine Erfüllung. Ludwig, der Fromme genannt, ward als der einzige, noch überlebende Sohn nach Karl des Großen Tod (814) Kaiser.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 409-411.
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