896. Der Burgsel bei Kaufring.

[431] Mündlich.


In vielen Gegenden, namentlich im Lechraine, tragen jene Berge, worauf ehemals eine Burg gestanden, den Namen: Burgsel. So steht auch bei Kaufring am Lech eine solche Erhöhung, die auf zwei Seiten mit Wällen verschanzt ist, und auf den andern zwei Seiten steil abfällt. Dieser Burgsel soll den Platz bezeichnen, wo das alte Welfenschloß gestanden, und Welf II. Herzog von Bayern 1120 gestorben ist. Später hausten auch hier die adelichen Geschlechter, welche die Hofmarch Kaufring besaßen, und neben an betrieben sie auch ihre Oekonomie, wie es der Name des Platzes, der südöstlich vom Burgsel liegt, beweist. Das Wort Buit bedeutet einen Platz, wo ein Gebäude stand, und da vor Alters die Oekonomiegebäude der Schlösser häufig Bauhöfe, oder Höfe im Bau genannt werden, so kann diese Buit nichts anderes sein, als der Platz, worauf ein solcher Bauhof gestanden.

Das Volk sagt auch, hier sei ein Schloß gestanden, aber schon vor vielen hundert Jahren zu Grunde gegangen. Auch hat man Gebeine von Menschen ausgegraben. Nördlich vom Burgsel ist eine andere Erhöhung, die von demselben durch einen Hohlweg getrennt ist. Es scheint, daß diese zwei Berge ehemals zusammenhingen, und daß in der langen Zeit, die von[431] der Zerstörung dieser Burg verlaufen sein muß, die große Hohlgasse entstanden, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, da sich diese Gasse durch Abführung von Lehm und Erde noch in der neuesten Zeit sehr erweitert hat. Auf diesem nördlichen Hügel steht gegenwärtig die Kirche und der Friedhof, und etwas weiter herab liegt ein Felsenriff, der eine bedeutende Höhlung bildet, und in neuester Zeit, weil er einzustürzen drohte, durch ein Gemäuer gestützt wurde. Hier soll es nicht ganz geheuer sein, und vor nicht gar langer Zeit hat man daselbst oftmals schreckliche Gespenster mit feurigen Augen gesehen, und jeder Bauer, der da vorüber geht, bekreuzt sich, und wagt es kaum hinaufzusehen, aus Furcht ein solches Gespenst zu erblicken.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 431-432.
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