904. Geburtstätte des heiligen Grafen Rasso oder Ratho.

[438] Mündlich.


Zwischen den Dörfern Mühlhausen und Gerezhausen in der Nähe des Städtchens Landsberg, sieht man einen Burgsel. Am Fuße dieses Berges, am Wege der von Mühlhausen nach Gerezhausen führt, steht[438] eine steinerne Säule, in welcher eine Tafel eingeschlossen ist, die das Bild des heiligen Rasso oder Ratho, Grafen von Andechs und Diessen enthält, bei dem sich auch eine Frau aufgezeichnet findet, welche die Mutter desselben vorstellt. Diese Säule mit dem beschriebenen Bilde ist merkwürdiger als man glaubt. Das Volk der Gegend ist allgemein der Meinung, daß hier der heilige Graf Rasso oder Ratho geboren sei. Seine Mutter sei nemlich vor der Grausamkeit ihres Ehegemahls Rathold geflohen, um sich unter den Schutz ihres Bruders zu stellen, welcher zu jener Zeit Pfarrherr in Gerezhausen gewesen. Da sie hoch schwanger war, konnte sie das Dorf Gerezhausen, und auch die nahegelegene Burg nicht mehr erreichen, und gebar einen Sohn, welcher den Namen Rasso oder Ratho erhielt. Dieß ist der nachher so mächtige und berühmte Graf Ratho, der in Bayern als ein Heiliger verehrt wird.

Noch wallfahrten manche Bewohner des Lechrains zu dieser Säule, sowie auch jene, welche die Begräbnißstätte des heiligen Grafen Ratho besucht haben, im Nachhausegehen, öfters bei seiner Geburtsstätte Halt machen, und daselbst ihre letzte Andacht verrichten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 438-439.
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