Mittagsruhe bei Magnesia

[229] Da lagern um des Brunnens kühle Flut

Die wegemüden Karawanen;

Sanft über ihnen bricht die Sonnenglut

Zum Schatten sich im Laube der Platanen,[229]

Und rings, entbürdet von der Waren Last,

Genießt Kamel und Roß der Mittagsrast.


Umher der turbanhäupt'gen Wandrer viel,

Die Rauch aus Wasserpfeifen blasen;

Vom fernen Tigris der und der vom Nil,

Der aus des Sudan innersten Oasen;

Kurz nur ihr Rasten; wenn sie wieder gehn,

Wird ihre Spur der Wüstenwind verwehn.


Und du, den wilder Drang von Land zu Land

Hinjagt mit ruhelosem Schritte,

Einsam, verlassen hier und unbekannt

In all der fremden Männer Mitte!

Nicht einer ahnt den Trieb, der, nie gestillt,

Sich immer neu gebärend, dich erfüllt.


O diese Welt so groß, du selbst so klein,

Und doch dein Wünschen, Ringen, Streben

Noch unermeßlicher als sie! Halt ein!

Zu eng dafür sind Zeit und Raum und Leben!

Wir alle, die wir kommen, die wir gehn,

Wie bald wird unsern Staub der Wind verwehn!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 229-230.
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