Im Garten zu B.

[415] Daß ich so euch, all ihr trauten

Plätze, wiederfinden muß!

Wohl noch mit bekannten Lauten

Murmelt der geschwätz'ge Fluß,

Wohl die Knospen bricht der Flieder

Wie in jenem sel'gen Jahr, –

Doch nie Frühling wird es wieder,

Wie es damals Frühling war.


Nie mehr aus dem Grün der Linden

Lacht und duftet so der Mai;[415]

Nie wie damals in den Winden

Hallt des Kuckucks froher Schrei;

Nie so an den Bergeshängen

Flammt der Fichtensprossen Rot;

Hier in allen Laubengängen

Hingeschritten ist der Tod.


Derer, die mir teuer waren,

Keinen findet mehr mein Blick;

Mit gehäuftem Gram von Jahren

Kehr' ich noch allein zurück,

Und rings, wie mit Geisterzungen,

Aus dem Laub, dem Wasserfall,

Tönt von Stimmen, lang verklungen,

An mein Ohr der Widerhall.


Auf den Rasen, die verwildern,

Sucht mein Auge thränenschwer

Nach der Götter Marmorbildern,

Welche einst, olympisch-hehr,

Von den Piedestalen schauten;

Nun von Nesseln überdeckt

Liegen sie und wilden Rauten,

Auf den Boden hingestreckt.


Oft, halb hoffend und halb zage,

Wenn des Morgens Rot sich zeigt,

Denk' ich, daß der alten Tage

Einer neu im Osten steigt;

Hoch und höher schwingt der reine

Glanz am Himmel sich empor;

Aber bald mit blassem Scheine

Stirbt er hin in Nebelflor.


Und erschreckt, wohin ich schreite,

Fahr' ich auf bei jedem Tritt;[416]

Schatten schleichen mir zur Seite

Durch die Gartengänge mit,

Sitzen bei mir auf den Bänken,

Flüstern Worte mir ins Ohr – –

O hinweg! Ich mag's nicht denken,

Was ich hatt' und nun verlor!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 415-417.
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