132. Die in eine Schlange verwandelte Jungfrau.

[104] Zu einem Dienstmädchen, welches in Wulften diente, kam eines Abends, als sie in der Küche das Geschirr reinigte, durch das Gossenloch eine Schlange, fing an zu sprechen und bat dieselbe auf das inständigste, ihr doch einen Kuß zu geben, indem sie ihr zugleich viel Geld versprach, wenn sie es thäte. Das Mädchen wollte sich aber erst mit ihrer Hausfrau berathen und versprach ihr am andern Abend Antwort zu geben. Die Hausfrau rieth sehr dazu. Die Schlange kam auch am Abend wieder, aber das Mädchen that es dennoch nicht. Die Schlange kam auch am dritten Abend wieder; als aber auch jetzt das Mädchen sich weigerte ihr einen Kuß zu geben, da that sie einen furchtbaren Schrei und es stand eine wunderschöne Jungfrau vor ihr, welche sagte: erst in hundert Jahren würde wieder einer geboren, der sie erlösen könne. Dann wurde sie wieder zur Schlange und verschwand.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 104.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.