188. Der Heckethaler.

[170] In Hildesheim hatte eine Frau einen Alraun, den legte sie Jahr und Tag in eine Schachtel, und als Jahr und Tag um war, da lag bei dem Alraun ein Heckethaler. Wenn nun die Frau zum Kaufmann oder Bäcker ging, so bezahlte sie die gekaufte Waare immer mit dem Heckethaler. Dieser blieb aber nicht lange in dem Geldkasten des Verkäufers, sondern folgte ihr immer unvermerkt wieder nach. Das ging so eine Zeitlang recht gut, bis endlich ein Schlächter, bei dem die Frau oft Fleisch für ihren Heckethaler gekauft hatte, aufmerksam wurde und der Frau auf die Finger zu sehen beschloß. Einst kam sie wieder, kaufte ein Pfund Schweinefleisch, gab dem Schlächter einen Thaler in die Hand und ließ sich das übrige Geld wieder herausgeben. Kaum war sie aus der Thür, so wollte auch der Thaler in der Hand lebendig werden; doch der Schlächter, der ein starker Mann war, hielt die Hand fest zu, holte Hammer und Nagel und nagelte den Thaler auf den Hackeblock. Da ward der Hackeblock lebendig, tanzte mit schrecklichem Gepolter auf der Diele umher, zum Hause hinaus und eiligst hinter der Frau her, die keinen geringen Schrecken bekam. Zur Strafe muste sie Hab und Gut hergeben, und der Magistrat ließ ihr kein Hemd auf dem Leibe.

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Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 170.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.