245. Der Nachtalp.

[237] Ein Schäfer in Lauenberg, Namens Hansmann, hatte eine Braut, welche in Rothenkirchen diente. Er dachte viel an sie, und sie an ihn. Eine Zeitlang hütete sein Bruder für ihn die Schafe und so schlief er im Dorfe. In jeder Nacht kam der Nachtalp (de nachtmârte) zu ihm und drückte ihn. Er stopfte zwar vor dem Schlafengehn auf seiner Kammer alle Löcher sorgfältig zu, aber das half ihm nichts, der Nachtalp kam doch. Nun merkte er endlich, daß dieser durch das Schlüsselloch herein kam und hielt deshalb eines Abends eine Schnupftabacksdose davor. In der Nacht kam auch richtig der Alp wieder durch das Schlüsselloch und wurde in der Dose gefangen. Am anderen Morgen erhielt der Schäfer die Nachricht, daß seine Braut in der Nacht gestorben sei. An die Dose hatte er gar nicht wieder gedacht, erst nach drei Tagen, als seine Braut begraben werden sollte, dachte er wieder daran, machte die Dose auf und ließ den Nachtalp laufen. Gleich darauf wachte auch seine Braut auf und war wieder lebendig.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 237.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.