56. Bestrafung des Felddiebstahls.

[38] Es stehn in verschiedenen Feldmarken der Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen und darüber hinaus Steine, an denen ein Pflugrad oder eine Pflugschar eingehauen ist oder sein soll. Von diesen Steinen geht die Sage, daß darunter ein Mann begraben liege, dem an der Stelle dafür, daß er einen im Felde stehenden Pflug bestohlen (das Eisen davon genommen hatte), der Kopf abgepflügt wurde. Dem Frevler, der diese Strafe erleiden sollte, ward vorher ein Lager in der Erde bereitet und dann der Pflug so über ihn weggeführt, daß ihm das Eisen den Kopf abschnitt.

Ein Stein dieser Art steht nahe bei dem Dorfe Diemarden an dem Wege nach Reinhausen. Dann noch in folgenden Gegenden: bei dem Dorfe Hullersen im Amte Einbeck »unter der Linde«; bei dem Dorfe Eilensen hart an der Straße, die von Einbeck nach Dassel führt; bei dem Dorfe Amelsen im kleinen Anger, auf welchem das Pflugrad noch deutlich zu erkennen ist, und auf dem Kreuzplatze bei Oldendorf. Der Mann, welcher an dieser Stelle todt gepflügt wurde, geht dort noch jetzt in ganz schwarzer Gestalt um.

Zwei solche Steine stehn bei Lüthorst, unter denen zwei Männer begraben liegen, welche Ackergeräthe aus dem Felde gestohlen hatten; zwei andere an der entgegengesetzten Seite des Dorfes, da wo der Weg nach Wangelstedt führt. Einst hatte ein Mann aus Lüthorst einen dieser Steine weggeholt, um ihn[38] zu einer Treppe vor seinem Hause zu benutzen. Da erhob sich in jeder Nacht in dem Hause ein so starkes Gepolter, daß die Menschen es nicht mehr darin aushalten konnten. Dieses dauerte so lange fort, bis der Stein wieder an seine Stelle gebracht war.

Auch im Pinkler Felde der Einbecker Feldmark bei »Gerken Brunnen« nicht weit von der Linde, an der Stelle, welche man up Sünte Jaust nennt, befinden sich zwei solche Steine. Unter einem derselben (nach andern unter beiden) soll ein Mann begraben sein, dem der Kopf abgepflügt wurde, weil er einen Pflug aus dem Felde gestohlen hatte. Um die Jahrszeit, wo er die Strafe erlitt, geht er noch immer ohne Kopf um den Stein herum. Einige meinen, er habe deshalb keine Ruhe, weil sich später herausstellte, daß er unschuldig war.

Endlich stehn noch bei dem Dorfe Meensen links am Wege, der nach Münden führt, zwei Feldsteine, auf denen ein Rad eingegraben ist. Unter dem einen liegt ein Mann begraben, dem der Kopf abgepflügt wurde, weil er einen Grenzstein verrückt hatte.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 38-39.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.