5.

[6] Im dreißigjährigen Kriege flüchtete ein Landgraf von Hessen nach der Plesse, seine Gemahlin reiste ihm dahin nach, fand ihn aber nicht mehr vor, indem er kurz vorher schon weiter gereist war. Sie übernachtete also nur auf der Plesse und[6] reiste am folgenden Tage – es war der 5. März – weiter. Es hatte stark geglatteist, und wie nun der Wagen den Berg hinabfährt, können die Pferde den Wagen nicht halten und er rollt hinab in einen tiefen Abgrund, der jetzt das Fürstenloch heißt. Wunderbarer Weise war die Landgräfin völlig unverletzt geblieben. Aus Dank für ihre Rettung bestimmte die Landgräfin, daß alljährlich am 5. März unter die Armen in Eddiehausen 7 Malter Roggen vertheilt, und von dem Prediger des Dorfes eine Gedächtnißrede gehalten werden solle, wofür derselbe ein Malter Roggen erhält.

Früher wurde der Roggen auf der Domäne in Eddiehausen vertheilt; später geschah dies auf dem Amte in Bovenden und so ist es noch jetzt. In neuerer Zeit war einmal die Vertheilung unterblieben, da hörte man um diese Zeit auf dem herrschaftlichen Kornboden in Eddiehausen immerfort ein gewaltiges Schaufeln. Der Volksglaube brachte damit auch folgenden Vorgang in Verbindung. Unter dem Kornboden war ein Pferdestall, worin sieben Füllen standen. In der Nacht von 5-6. März waren alle ausgebrochen, ohne daß man sehen konnte, wie dieß möglich gewesen wäre. Nur ein kleines Loch zeigte sich in der Wand, und man nahm an, daß die Füllen auf den Knien durch dasselbe gekrochen wären. Lange wurden die Füllen vergeblich gesucht: endlich sah man sie alle sieben oben auf der Plesse hart am Rande gerade über dem Dorfe stehen. Nur mit vieler Mühe wurden sie von dort weg wieder ins Dorf und in den Stall gebracht.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 6-7.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.