Zueignung

[217] Du, die mit mir zum gleichen hohen Ziele,

Zu frommer Wallfahrt gläubig sich verbunden,

Die gleich mit mir der Dichtung zarte Spiele

Und gleich des Lebens heil'gen Ernst empfunden,

Du sprachst: Noch schlummern edler Kräfte viele

In deinen Saiten; auf, sie zu erkunden!

Du hast dein freies Vaterland gesungen,

Fort sei um einen höhern Preis gerungen!


So sei's! Und mir erscheint aus fernen Tagen

Die schönste menschlich-göttlichste Gestalt.

Wie soll ich kühn die goldnen Saiten schlagen,

Wenn Lieb' und Wehmuth mir im Busen wallt?

Nur leise Klänge darf ich schüchtern wagen,

Erliegend unter meines Lied's Gewalt.

Kein hoher Psalm! Nur Liebe, Reu' und Sehnen

Und Schmerzenfreude spricht aus diesen Tönen.


So nimm, Geliebte! was der Geist gegeben,

Und bring' es freundlich zu dem holden Kreise,

Wo wir der Jugend frisches zartes Leben,

Der Fraun und Jungfraun alte gute Weise,

Und aller Engel Macht und stilles Weben

Im Innern oft gefühlt, so stark als leise.

Ob dich und jenen Chor mein Lied erbaute,

Das war das liebste Ziel, nach dem ich schaute.

Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 217.
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