Dritter Auftritt

[647] Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.


CALCAGNO. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.

SACCO. Und ich beobachte, daß du mir alle verbirgst. Höre, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt – Ich dächte, Bruder, wir beide könnten schon Geheimnis gegen Geheimnis tauschen, und am Ende hätte keiner beim Schleichhandel verloren – Wirst du aufrichtig sein?

CALCAGNO. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in[647] meine Brust hinunterzusteigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegenkommen soll – Ich liebe die Gräfin Fiesco.

SACCO tritt verwundernd zurück. Wenigstens das hätt ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen – Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.

CALCAGNO. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.

SACCO. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno. Gib dein Gewerb oder dein Herz auf-

CALCAGNO. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen in Atem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

SACCO. Unverbesserlich, Bruder. Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Rotwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich itzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die itzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.

CALCAGNO. Sind deine Schulden so groß?

SACCO. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehenteil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fodern entleiden.

CALCAGNO. Ich verstehe – und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! Ich bewundre in uns beiden die feine Spekulation des Himmels, der das Herz des Körpers durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet – Weiß Verrina um deinen Anschlag?

SACCO. Soweit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt itzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.[648]

CALCAGNO. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen, und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren!


Gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 647-649.
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