Vierter Auftritt

[649] Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.


JULIA. Lakaien! Läufer!

FIESCO. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie!

JULIA. Nichts, im mindesten nichts. Bediente. Mein Wagen soll vorfahren!

FIESCO. Sie erlauben – er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.

JULIA. Pah! Doch wohl das nicht! – Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücken – Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.

FIESCO auf einem Knie. Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. –

JULIA steht still mit angestemmten Armen. Ah! Schön! Schön! Sehenswürdig! Rufte doch jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel! – Wie, Graf? Wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender ihrer Liebkosungen blättert, und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterien abbüßen?

FIESCO springt auf. Impertinenzen? Ihnen?

JULIA. Aufzubrechen – den Sessel zurückzustoßen – der Tafel den Rücken zu kehren – der Tafel, Graf! an der ich sitze.

FIESCO. Es ist nicht zu entschuldigen.

JULIA. Und mehr ist es nicht? – Über die Fratze! und ist es denn meine Schuld, Sich belächelnd. daß der Graf seine Augen hat?

FIESCO. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht überall hat.

JULIA. Keine Delikatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fodre Genugtuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?[649]

FIESCO. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der Eifersucht abbittet.

JULIA. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? Vor einem Spiegel gestikulierend. Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? Stolz. Doria und Fiesco? – ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Küssen reicht. Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so fände.

FIESCO lebhaft. Grausamste, und mich dennoch zu quälen! – Ich weiß es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine Vernunft heißt mich das Knie des Untertans vor dem Blut Doria beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen, und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.

JULIA. Eine große, große gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt – Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem Schattenriß einer andern.

FIESCO. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn hinwegdrücken. Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Band hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert. Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen zerstören.

JULIA steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt. Ein großes Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. Sie hängt ihm die ihrige um. So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. Sie geht ab.

FIESCO mit Feuer. Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. Frohlockend im Saal. Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen! Holla! Holla! Menge Bediente. Der Boden meiner Zimmer lecke zyprischen Nektar. Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg – Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Totenreich in polternde Trümmer!


[650] Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelhang aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen.

Zur Seite Schenk- und Spieltische, von Gästen besetzt.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 649-651.
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