Dreizehnter Auftritt

[684] Andreas. Gianettino.


ANDREAS. Höre, Neffe. Ich bin schlimm mit dir zufrieden.

GIANETTINO. Gönnen Sie mir Gehör, durchlauchtigster Oheim.

ANDREAS. Dem zerlumptesten Bettler in Genua, wenn er es wert ist. Einem Buben niemals, und wär er mein Neffe. Gnädig genug, daß ich dir den Oheim zeige; du verdientest, den Herzog und seine Signoria zu hören.

GIANETTINO. Nur ein Wort, gnädigster Herr –

ANDREAS. Höre, was du getan hast, und verantworte dich dann – – Du hast ein Gebäude umgerissen, das ich in einem halben Jahrhundert sorgsam zusammenfügte – das Mausoleum deines Oheims – seine einzige Pyramide – – die Liebe der Genueser. Den Leichtsinn verzeiht dir Andreas.

GIANETTINO. Mein Oheim und Herzog –

ANDREAS. Unterbrich mich nicht. Du hast das schönste Kunstwerk der Regierung verletzt, das ich selbst den Genuesern vom Himmel holte, das mich so viele Nächte gekostet, so viele Gefahren und Blut. Vor ganz Genua hast du meine fürstliche Ehre besudelt, weil du für meine Anstalt keine Achtung zeigtest. Wem wird sie heilig sein, wenn mein Blut sie verachtet? – Diese Dummheit verzeiht dir der Oheim.

GIANETTINO beleidigt. Gnädigster Herr, Sie haben mich zu Genuas Herzog gezogen.

ANDREAS. Schweig! – Du bist ein Hochverräter des Staats und hast das Herz seines Lebens verwundet. Merke dirs, Knabe! Es heißt – Unterwerfung! – Weil der Hirte am Abend seines Tagwerks zurücktrat, wähntest du die Herde verlassen? Weil Andreas eisgraue Haare trägt, trampeltest du wie ein Gassenjunge auf den Gesetzen?

GIANETTINO trotzig. Gemach, Herzog. Auch in meinen Adern siedet das Blut des Andreas, vor dem Frankreich erzitterte.

ANDREAS. Schweig! befehl ich – Ich bin gewohnt, daß das Meer aufhorcht, wenn ich rede – Mitten in ihrem Tempel spieest du die majestätische Gerechtigkeit an. Weißt du, wie man das ahndet, Rebelle? – Itzt antworte![684]

GIANETTINO heftet den Blick sprachlos zu Boden.

ANDREAS. Unglückseliger Andreas! In deinem eigenen Herzen hast du den Wurm deines Verdiensts ausgebrütet. – Ich baute den Genuesern ein Haus, das der Vergänglichkeit spotten sollte, und werfe den ersten Feuerbrand hinein – diesen! Dank es, Unbesonnener, diesem eisgrauen Kopf, der von Familienhänden zur Grube gebracht sein will – Dank es meiner gottlosen Liebe, daß ich den Kopf des Empörers dem beleidigten Staat nicht – vom Blutgerüste zuwerfe! Schnell ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 684-685.
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