Vierzehnter Auftritt

[685] Lomellin außer Atem, erschrocken.

Gianettino sieht dem Herzog glühend und sprachlos nach.


LOMELLIN. Was hab ich gesehen? Was angehört? Itzt! itzt! fliehen Sie, Prinz! Itzt ist alles verloren.

GIANETTINO mit Ingrimm. Was war zu verlieren?

LOMELLIN. Genua, Prinz! Ich komme vom Markt. Das Volk drängte sich um einen Mohren, der an Stricken dahingeschleift wurde, der Graf von Lavagna, über die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo die Verbrecher gefoltert werden. Der Mohr war über einem Meuchelmord ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.

GIANETTINO stampft mit dem Fuß. Was? Sind heut alle Teufel los?

LOMELLIN. Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen. Der Mohr gestand nichts. Man bracht ihn auf die erste Folter. Er gestand nichts. Man brachte ihn auf die zweite. Er sagte aus, sagte aus – Gnädiger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem Taugnichts preisgaben?

GIANETTINO schnaubt ihn wild an. Frage mich nichts!

LOMELLIN. Hören Sie weiter. Kaum war das Wort Doria ausgesprochen – lieber hätt ich meinen Namen auf der Schreibtafel des Teufels gelesen, als hier den Ihren gehört – so zeigte sich Fiesco dem Volk. Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer mit den Herzen der Menge. Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in starren, schröcklichen Gruppen entgegen, er sprach[685] wenig, aber streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallende Tropfen wie um Reliquien. Der Mohr wurde seiner Willkür übergeben, und Fiesco – ein Herzstoß für uns – Fiesco begnadigte ihn. Itzt raste die Stille des Volks in einen brüllenden Laut aus, jeder Odem zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach Hause getragen.

GIANETTINO mit einem dumpfen Gelächter. Der Aufruhr schwelle mir an die Gurgel! – Kaiser Karl! Mit dieser einzigen Silbe will ich sie niederwerfen, daß in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.

LOMELLIN. Böhmen liegt weit von Italien – Wenn Karl sich beeilt, kann er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.

GIANETTINO zieht einen Brief mit großem Siegel hervor. Glück genug also, daß er schon hier ist! – Verwundert sich Lomellin? Glaubte er mich tolldreist genug, wütige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht schon verkauft und verraten wären?

LOMELLIN betreten. Ich weiß nicht, was ich denke.

GIANETTINO. Ich denke etwas, das du nicht weißt. Der Schluß ist gefaßt. Übermorgen fallen zwölf Senatoren. Doria wird Monarch, und Kaiser Karl wird ihn schützen – Du trittst zurück?

LOMELLIN. Zwölf Senatoren! Mein Herz ist nicht weit genug, eine Blutschuld zwölfmal zu fassen.

GIANETTINO. Närrchen, am Thron wirft man sie nieder. Siehst du, ich überlegte mit Karls Ministern, daß Frankreich in Genua noch starke Parteien hätte, die es ihm zum zweitenmal in die Hände spielen könnten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte. Das wurmte beim alten Karl. Er unterschrieb meinen Anschlag – und du schreibst, was ich diktiere.

LOMELLIN. Noch weiß ich nicht –

GIANETTINO. Setze dich. Schreib.

LOMELLIN. Was schreib ich aber? Setzt sich.

GIANETTINO. Die Namen der zwölf Kandidaten – Franz Zenturione.

LOMELLIN schreibt. Zum Dank für sein Votum führt er den Leichenzug.

GIANETTINO. Cornelio Calva.

LOMELLIN. Calva.[686]

GIANETTINO. Michael Zibo.

LOMELLIN. Ein Abkühlung auf die Prokuratur.

GIANETTINO. Thomas Asserato mit drei Brüdern.


Lomellin hält inne.


GIANETTINO nachdrücklich. Mit drei Brüdern.

LOMELLIN schreibt. Weiter!

GIANETTINO. Fiesco von Lavagna.

LOMELLIN. Geben Sie acht! geben Sie acht! Sie werden über diesem schwarzen Stein noch den Hals brechen.

GIANETTINO. Scipio Bourgognino.

LOMELLIN. Der mag anderswo Hochzeit halten.

GIANETTINO. Wo ich Brautführer bin. – Raphael Sacco.

LOMELLIN. Dem sollt ich Pardon auswirken, bis er mir meine fünftausend Skudi bezahlt hat. Schreibt. Der Tod macht quitt.

GIANETTINO. Vincent Calcagno.

LOMELLIN. Calcagno – den zwölften schreib ich auf meine Gefahr, oder unser Todfeind ist vergessen.

GIANETTINO. Ende gut, alles gut. Joseph Verrina.

LOMELLIN. Das war der Kopf des Wurms. Steht auf, streut Sand, fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen. Der Tod gibt übermorgen prächtige Gala, und hat zwölf genuesische Fürsten geladen.

GIANETTINO tritt zum Tisch, unterzeichnet. Es ist geschehen – In zwei Tagen ist Dogewahl. Wenn die Signoria versammelt ist, werden die zwölf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem plötzlichen Schuß gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Teutsche das Rathaus mit Sturm besetzen. Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria in den Saal und läßt sich huldigen. Klingelt.

LOMELLIN. Und Andreas?

GIANETTINO verächtlich. Ist ein alter Mann. Ein Bedienter. Wenn der Herzog fragt, ich bin in der Messe. Bedienter ab. Der Teufel, der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske inkognito bleiben.

LOMELLIN. Aber das Blatt, Prinz?

GIANETTINO. Nimmst du, lässest es durch unsre Partei zirkulieren. Dieser Brief muß mit Extrapost nach Levanto. Er unterrichtet den Spinola von allem, und heißt ihn früh acht Uhr in der Hauptstadt hier eintreffen. Will fort.[687]

LOMELLIN. Ein Loch im Faß, Prinz! Fiesco besucht keinen Senat mehr.

GIANETTINO zurückrufend. Doch noch einen Meuter wird Genua haben? – Ich sorge dafür. Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort durch ein anderes.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 685-688.
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